Podcast #74 mit Bernhard Rackl

„Wir haben im Juli unser Umsatzziel für das ganze Jahr erreicht.“
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Vorab: Ein Leben ohne Warenausgang.com ist möglich, aber sinnlos. Anfang 2025 habe ich den Entschluss gefasst, wieder einige B2B Digital Commerce Podcasts aufzunehmen und die Storys dazu aufzuschreiben. Bernhard Rackl hat in den Jahren der Inaktivität angemerkt, dass es sehr schade sei, dass ich in dem Kontext nichts mehr mache. Daher durfte er nun auch als erster Gast herhalten.

Corporate Start-ups sind nicht totzukriegen

Die Idee, etwas Neues aus einem bestehenden Unternehmen auszugründen, geht öfter schief als gut und viele B2Bler sind damit bereits gescheitert. Trotzdem scheinen Start-up-Ausgründungen zu süß zu schmecken, als dass man nicht doch der Versuchung erliegen könnte. So muss sich das auch die der Mittelständler hinter Raecks erdacht haben, als man RAECKS – Die Regalmacher an den Start gebracht hat.

Aus meiner Sicht ist Raecks ein klassischer Ansatz, um effizient die Kunden im Longtail zu bedienen, für die sich der teure, bestehende Vertrieb der Gruppe wirtschaftlich nicht lohnt. Statt ganzer Logistikzentren verkauft Raecks einzelne Regale und spricht damit hunderttausende potenzielle B2B-Kunden aller Gewerbe und Gewerke an.

Weniger reden, mehr machen.

Bernhard habe ich kennen und schätzen gelernt, als er vor 10 Jahren der Firma Berner den E-Commerce beibrachte. Zuvor war er u.a. bei Conrad Electronic oder ATU. Er weiß also, wie (B2B) E-Commerce funktioniert und ist für zig Studien, Analysen und PowerPoints nicht zu haben, sondern fürs Machen. Corporate Start-ups, die die Unsicherheit von „Einfach mal machen“ aushalten, können schnell und günstig dazulernen. Wie Bernhard es ausdrückt:

„Das Wichtigste war: Go-live jeden Preis.“ – Bernhard Rackl

Darauf kommt es an. So hat Raecks in wenigen Monaten mit einem kleinen, eigenen Team und Agenturunterstützung einen Online Shop mit Regalkonfigurator aufgebaut.

Kein normales Kellerregal: Kragarmregale von Raecks

Komplexe Produkte sind (noch) ein Segen

„Regal“ klingt nach Commodity, ist aber im Detail schnell komplex. Daher auch Konfigurator, nicht einfach Standardkonfigurationen, die über den Shop vertrieben werden. Raecks ist sehr fokussiert auf Regale, den breiten Bauchladen zum Einstieg gibt es nicht. So haben auch andere, erfolgreiche B2B Online Geschäftsmodelle einmal angefangen.

„Man mag es kaum glauben, aber so ein Regal ist ziemlich komplex. Da gibt es Vorschriften, Statik und Normen. Deshalb fokussieren wir uns nur auf Regale.” – Bernhard Rackl

Für Marktplätze wie Amazon Business, Mercateo / Unite, Conrad usw. ein schwer zu vertreibendes Produkt. Beratungsintensiv, erklärungsbedürftig, konfigurierbar: Klare Eigenschaften, die gegen eine Marketplace- und für eine Direktvertriebsstrategie mit eigenem Kundenkontakt sprechen.

Geschwindigkeit ist Key und Woo Commerce der Schlüssel

Bernhards Tech-Stack verwundert: Auf Woo Commerce Basis wurde das Shopsystem umgesetzt, das Herzstück ist ein 3D-Konfigurator, über den Kunden ihre Produkte selbst konfigurieren können. Der richtige Mix zwischen Self Service am Konfigurator und Unterstützung durch den Raecks Innendienst wird laut Bernhard dabei gut gewährleistet.

„Geschwindigkeit spielt eine echte Rolle. Bei uns hat der Kunde sein individuelles Angebot in 1-2 Tagen. Manche Wettbewerber brauchen Wochen.“ – Bernhard Rackl

Ein bis zwei Tage benötigt Raecks für ein individuelles Angebot. Bei tradierten Unternehmen sind das schon gerne mal mehrere Tage, wenn nicht gar Wochen. Digitale Effizienz steht also im Vordergrund, die Kunst ist dabei, den Kunden nicht zu überlasten, indem man ihm zu viel Konfigurationstiefe überlässt. Auch wenn Lagerregale selten Spontanbedarfe sind – in 2025 wartet keiner mehr gerne lange auf sein Angebot. Convenience gewinnt.

Online-Konfiguratoren sind, so einfach wie sie auch sein mögen, im B2B meistens eher Lead- als direkte Umsatzgeneratoren. Am Schluss muss heute noch jemand drüberschauen, bevor das irgendwann einmal von einer AI gelöst werden kann, die man heute aber selbst bauen und sehr gut trainieren muss. Wer will schon Verantwortung für ein AI-konfiguriertes Schwerlastregal übernehmen? Genau, niemand.

Im Backbone läuft übrigens das selbst entwickelte Mittelstands-ERP, wobei die Devise gilt: Nicht krampfhaft auf die bestehenden Legacy-Systeme setzen, wichtig ist vor allem, dass das Geschäft läuft. Schön pragmatisch.

Die richtigen Sachen richtig machen

Vertrauen baut Raecks so nicht nur gegenüber Kunden auf, sondern auch gegenüber den Shareholdern. Auf dem schmalen Grat von Unabhängigkeit zur Muttergesellschaft und Durchgriff auf bestehende Ressourcen, z.B. die Produktionsressourcen der Regale, wandelt es sich besser, wenn man Ergebnisse einfährt, statt ewig auf Prozessintegration zu warten und zu versuchen, den „perfekten MVP“ zu bauen.

Nach 7 Monaten hat Raecks den Jahresumsatz 2025 drin. Das liegt sicher nicht nur an konservativer Umsatzplanung, sondern ist durchaus ein Ergebnis aus Fokus und Umsetzung. Zwar verrät Bernhard nicht, wie weit es noch bis zum Break-even ist, trotzdem zeigt diese Aussage eine deutlich größere Nähe zur Wirtschaftlichkeit, als Corporate-Start-up-Modelle der Vergangenheit.

Bleibt Raecks auf diesem Weg, wird die Firma schnell deutlich mehr sein, als ein schöner Showcase auf B2B Digitalkonferenzen.

Learnings aus dem Fall “Raecks”

  1. Fokus > Bauchladen: die starke Konzentration auf Regale scheint Raecks gutzutun.
  2. Geschwindigkeit = Convenience: B2B Kunden zahlen Premium für Service und schnelle Angebote
  3. Corporate Start-ups können funktionieren, wenn Freiräume und klare Abgrenzung geschaffen werden
  4. Es gibt B2B Digital Commerce außerhalb der großen Plattformen wie Amazon & Co.
  5. Echte Ergebnisse statt glossy Stories: Umsatzziele frühzeitig erreichen ist immer noch die beste Erfolgsgeschichte

Fazit: Nische funktioniert auch 2025 noch

Raecks ist in keinem Blue Ocean Market: Es gibt genügend andere Anbieter von Regalen, auch online. ABER: Je langweiliger, spezieller und komplexer die Nische klingt, desto besser ist sie geschützt und desto spannender wird sie dadurch. Die Einstiegsbarriere: Zugang zur Schlüsselressource. In Bernhards Fall ist das die Produktionskapazität für Regale.

Da draußen gibt es noch 12.367 weitere B2B-Nischen, die online erschlossen werden können – es bleibt spannend, wo das nächste Raecks entsteht und wie sich das Frechener Original entwickelt.

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