Ich habe eine Frage zu Rechnungskauf im B2B E-Commerce. Welche Pros und Cons gibt es für Zahlungsgarantie-Anbieter? Was spricht für eine Abwicklung in eigenem Risiko und was benötige ich als Anbieter dafür? (Frage anonym)
Ich glaube ganz grundsätzlich kann man schon sagen, dass Kauf auf Rechnung im B2B zu den absoluten Standards gehört. Zwar sind digitale Zahlarten wie PayPal oder (Firmen-) Kreditkarte auch hierzulande im Vormarsch, was Ihre Akzeptanz und Nutzung auf Kundenseite angeht, doch wer keinen einfachen Rechnungskauf – auch für Neu- oder Gastkunden, zulässt, der killt seine Conversion ziemlich massiv. Eine Rechnung nach einem Kauf zu erhalten ist für die meisten Unternehmen nach wie vor der präferierte Weg, Geschäfte zu tätigen, auch online. Rechnungen erhalten passt einfach am besten zu den Zahlprozessen der Kunden
Grundsätzlich also schon mal ein “PRO” für das Thema insgesamt. Für die Abwicklung von Rechnungskauf über Dienstleister, die Zahlung garantieren, indem sie im Checkout den Kunden in Echtzeit auf seine Bonität hin checken spricht, dass diese Anbieter meist eine “Plug-and-Play-” Infrastruktur für die digitale Abwicklung von “Kauf auf Rechnung” in Echtzeit besitzen. Das ist insbesondere dann eine Lösung, wenn man nicht für jeden Kunden eine neue Debitoren-Nummer anlegen möchte, da dies auch meist in den bestehenden Prozessen viel zu teuer ist, als dass es sich lohnen würde. Außerdem verlangen die Zahlungsgarantie-Anbieter meist einen prozentualen Abschlag des Warenkorbwertes, der sich für die Shop-Betreiber schon über den Liquiditätsvorteil wieder reinholen lässt. Zudem kommt, dass durch die Prüfung in der Regel das Thema Betrugsprävention mitabgedeckt werden kann – was mit eigene Mitteln oft sehr schwierig wird, zumindest in Echtzeit.
Langjährige Bestandskunden mit entsprechendem Kreditrahmen sind natürlich ein anderes Blatt. Hierfür benötige ich nicht unbedingt eine Echtzeit-Prüfung. Externe Dienstleister lohnen sich also insbesonders, wenn ich online auf Neukundenjagd gehen will. Das im großen Stil im eigenen Risiko abzuwickeln erfordert, dass man die entsprechenden Prozesse an Ort und Stelle hat. Echtzeitprüfung von Kundenadressen auf Bonität ist nichts Triviales und kann mitunter sehr umständlich sein. Für die eigene Abwicklung benötige ich idealerweise sehr gute, automatisierte Buchhaltungsprozesse ( was die wenigsten B2B-Unternehmen vorweisen können). Außerdem muss ich mir überlegen, ob ich das Risiko eines Zahlungsausfalls komplett tragen möchte und kann. Das hängt dann wiederum auch von Themen wie dem verkauften Sortiment und dem durchschnittlichen Warenkorbwert an.
In welchen B2B Branchen ist „die letzte Meile“ ein Problem? (Frage anonym)
Ich kann mir gut vorstellen, dass sich unter der “letzten Meile” nicht jeder Leser etwas vorstellen kann. Grundsätzlich versteht man in der Logistik unter dem Begriff “letzte Meile” den letzten Abschnitt des Transports zur Haustür des Kunden (also im B2C). Da fängt bei B2B der Hamster schon an zu humpeln: Klassische Haustüren gibt es garnicht, sondern teils verzwickte Anliefersituationen und -zeiten. Je nach Branche sind die Herausforderungen völlig unterschiedlich, z.B. Gastronomie-, Industrie- oder Baustellenbelieferung.
In vielen Branchen bestehen proprietäre Lösungen. Soll heißen: Viele Händler unterhalten eigene Flotten, um aus ihrer dezentralen Lagerstruktur selbst die Kunden “auf der letzten Meile” zu beliefern. Oft auch parallel zum “normalen” Paket- und Palettenversand. Die Regel ist das in Branchen wie der Food Service Industry (Gastronomie), dem Elektro- oder Sanitärgroßhandel, aber auch bei Malerbedarf. Einerseits bringt die Belieferung mit einer eigenen Flotte oft tatsächlich Vorteile in puncto Kunden- und Systembindung, allerdings kostet sie die einzelnen Händler natürlich auch eine ganze Menge. Von den Folgen viertels und halbvoller Diesel-LKWs und -3,5-Tonner für Mensch und Umwelt ganz zu schweigen. Die Lieferkosten werden oft nicht 1:1 als Servicepauschale auf den Kunden umgelegt, sondern als Teil einer Mischkalkulation in den Produktpreisen “versteckt”. Neben den Lieferkosten kann das jedoch “Letzte Meile” jedoch auch bedeuten, dass Händler davon ausgehen, dass der Kunde die letzte Meile idealerweise durch eine Selbstabholung abdeckt. Einige Unternehmen, wie z.B. die Würth-Gruppe, richten mit über 500 Niederlassungen in Deutschland sogar einen strategischen Fokus darauf, dass Kunden zu ihnen kommen.
Aus Kundensicht kommen so viele Herausforderungen zustande. Hier mal einige davon aufgeführt:
- Auf größeren Baustellen kann es z.B. dazu führen, dass ziemlich unkoordiniert und über den ganzen Tag verteilt Lieferungen aufschlagen, die dann mühsam auf der Baustelle ihren richtigen Adressaten zugeordnet werden müssen.
- Die Auslieferung, z.B. in der Gastronomie- oder Baustoffbranche, erfolgt zudem oft auf relativ starren, unflexiblen Routen. Möchte man als Kunde aus dem Standard ausbrechen, bleibt einem oft nur die Hoffnung, dass man als Kunde wichtig genug ist, eine Sonderlösung vom Lieferanten zu bekommen.
- Kurzfristige Lieferslots sind kaum verfügbar und kosten im Zweifel ein kleines Vermögen, da der Händler z.B. bei Sofortbedarf die Dringlichkeit über die Servicekosten mit einpreist.
- Lösungen wie In-Fahrzeug-Belieferung über Nacht sind in der Theorie wundebar, scheitern aber oft an Details wie z.B. der garantierten Zustelluhrzeit. Wenn ein Unternehmen mit einer großen Flotte an Servicetechnikern die Zustellung bis 06 Uhr in der Früh garantiert haben muss, der Dienstleister aber nur 07 Uhr garantieren kann, dann kann es gut sein, dass ein Großteil der Servicetechniker bereits losgefahren ist, wenn der Lieferservice um die Ecke biegt.
- KEP-Dienstleister (DPD, UPS, DHL, GLS, etc.) schaffen es nicht, Branchenlösungen zu bauen, da sie auf Spezialisierung in ihrer Infrastruktur nicht ausgelegt sind. Oft ist allein die Herausforderung, ein Paket z.B. auf einer Baustelle anzuliefern, schon zu viel. Der Fahrer macht sich nicht die Mühe, den Besteller auf der Baustelle ausfindig zu machen, teilweise darf er es auch garnicht, da die Zutrittsberechtigung fehlt.
Weitere spannende Felder in diesem Zusammenhang sind nicht nur die “letzte Meile”, sondern auch der letzte Meter. Also z.B.:
- Wie kommt der frische Fisch in der Gastronomie nicht nur an die Rampe, sondern auch an den Herd?
- Wer liefert die Bleistifte bis zum Schreibtisch und wie macht er das?
- Wie können Schrauben in der Industrie nicht nur im Paket, sondern im austauschbaren KLT automatisiert angeliefert und an ihren Platz in der Produktion gebracht werden?
- Wer bringt die Gipskartonplatten nicht nur auf die Baustelle, sondern in Gebäude C, 3. Stock, Abschnitt E-G?
Digitalisierung und datenbasierte Geschäftsmodelle können hier potenziell für einen Quantensprung sorgen. Diesem Thema widme ich gerne mal einen eigene Artikel.
Zu guter letzt aber die Antwort: Die “letzte Meile” ist kein per se ungelöstes Problem. In allen Branchen wird sie heute irgendwie überbrückt. Die Frage ist, wo die meisten Ineffizienzen bestehen? Auf einer Skala von 10 = hohe Effizienz auf der letzten Meile bis 0 = total uneffizient sehe ich Branchen wie die Belieferung von OEMs mit Zulieferteilen (z.B. Automobilhersteller) nahe an 10, während ich klassische Handwerksbranchen eher so bei 3-5 sehe. Auch die Gastronomie liegt eher im Mittelfeld. Die bessere Frage für mich wäre: Wo besteht das meiste Potenzial für bessere Konzepte in der letzten Meile im B2B?
Zum Thema B2B-Zahlungsgarantie: Ein echtes, vollwertiges Gegenstück zur E-Commerce B2C Zahlungsgarantie, wie sie z.B. Klarna anbietet, können wir am Markt nicht erkennen. Das ist auch nicht so einfach umsetzbar: 1. ist eine Echtzeit-Prüfung nicht immer einfach – wenn mein Kunde “Frank’s Malerservice” Inh. Frank Mustermann, ist, habe ich dann nicht möglicherweise eine sehr viel aussagekräftigere und dazu noch günstigere Prüfung, wenn ich die Privatperson Frank Mustermann anfrage? 2. die wenigen verfügbaren B2B Produkte, die (mit konfigurierbarer Mindest-Treffergüte) einen Direkt-Treffer bei der B2B Bonitätsprüfung generieren, sind in jedem Falle auch deutlich teurer als B2C Auskünfte. Und 3. ist der Warenkorb des B2B Kunden in der Regel auch höher als im B2C, da wird es bei der Echtzeit-Entscheidung eher restriktive Einstellungen geben, um das Risiko für den Anbieter zu senken. Vielfach wird 4. im B2B daher auf Factoring zurückgegriffen, welches den Händler absichern soll. Aber auch dies funktioniert meist nicht in Echtzeit, zumal bei Neukunden, und unterliegt denselben Restriktionen. Alle Anbieter, ob Zahlungsgarantie oder Factoring, machen dies übrigens nicht aus karitativen Gründen, sondern sie verdienen damit unterm Strich Geld (bezahlt vomn Händler). Mit unabhängiger Beratung kann jeder Onlinehändler für seinen Shop optimierte, individuelle Lösungen finden.
Sehe ich ähnlich. Die Schufa hat (zu Punkt 1) soweit ich mich erinnere einige Zeit lang einen speziellen Score für Einzelunternehmer bzw. Kleinunternehmen auf Basis des Inhabers angeboten. Das Ziel ist dabei immer, den Rechnungskauf zu ermöglichen. Viel spannender ist daher nicht die Frage, ob ein PSP für B2B ein breites Portfolio an unterschiedlichen Zahlungsarten anbietet, sondern wie damit das Liquiditätsmanagement unterstützt werden kann. Mir ist aufgefallen, dass dort die Stoßrichtung von Alibabas Tochterunternehmen Ant Financial ist. In Deutschland wurde schon vor Jahren Traxpay gegründet, die als Dynamic Financing Platform die “Disintermediation” der klassischen Bank-Firmenkunde-Beziehung durch einfachere Prozesse neuer Onlinezahlungsanbieter verhindern wollen. Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass sich gerade im B2B-Sektor der PSP-Markt noch sehr stark entwickeln wird.
Es ist sicher nicht einfach, das Thema Bonität in Echtzeit für Neukunden zu klären. Trotzdem glaube ich, dass es bessere Lösungen gibt als das, was vielen B2B-Kunden heute vorgesetzt wird. Traxpay ist ein spannender Ansatz, dieses spezifische Problem wird dadurch m.E. aber nicht gelöst. Wenn, dann schon eher durch Ansätze wie FlexiPay von der Universum Group. Das ist ein Ansatz, der bei betriebsausstatter24 schon 2013 funktioniert hat. Wir haben auf Basis der Rechnungs- und Lieferadresse einen sehr großen Anteil der Neukunden per Rechnung zahlen lassen. Bei Neukunden ist es doch eh oft so, dass man nicht first order profitable ist. Da tut der Abschlag nicht weh, wenn man dafür geprüfte Daten in seinem System hat.