So Pragmatisch Entwickeln B2B-Hersteller Ihre B2B-E-Commerce-Strategie

Teile diesen Beitrag in...

In diesem Artikel habe ich meine praktischen Erfahrungen und Kenntnisse über die Elemente und den Rahmen einer umsetzbaren und lebensnahen B2B-Hersteller-E-Commerce-Strategie mit Hilfe von Erklärungen und Beispielen zusammengefasst. Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass die zunehmende Bedeutung digitaler Vertriebswege im B2B für alle Hersteller von “B2B-Produkten” vielmehr ein Segen als ein Fluch ist. Vorausgesetzt, die sich bietenden Chancen werden genutzt und die potenziellen Risiken werden mitigiert (sprich: gelindert). Immer wieder erlebe ich in Gesprächen, dass viele Verantwortliche in Unternehmen den Bogen dafür nicht weit genug aufspannen. Dabei ist es garnicht so schwer, eine übergreifende B2B-E-Commerce-Strategie im Unternehmen zu etablieren und – viel wichtiger – auch umzusetzen. Papier und PowerPoint sind geduldig, der Markt und die Kunden eher nicht.

Event-Tipp! Praktische Beispiele zu B2B-E-Commerce-Strategien gibt es live bei der B2B Digital Masters Convention im November:

Der Ausgangspunkt der B2B-E-Commerce-Strategie

“Die eine Strategie” gibt es – wie so oft – natürlich nicht. Das liegt insbesondere daran, dass sich eine übergreifende B2B-E-Commerce-Strategie idealerweise in das bestehende Strategiegefüge des Unternehmens einfügt. Sie passt idealerweise zur langfristigen Vision (der Antwort auf die Frage “Warum machen wir das hier alles?”) und zur Gesamtstrategie (ausgerichtet auf Wachstum, Profitabilität etc.) des Unternehmens. Unternehmen, die weder eine Vision noch eine Strategie vorweisen können, haben sowieso ein ganz anderes Problem, als das Thema E-Commerce zu entwickeln. Zudem ist meine Erfahrung: B2B-E-Commerce-Strategien haben nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn sie im Kontext der bestehenden Vertriebskanäle entwickelt werden. So gern man auch “disruptiv losstürmen” möchte, so kontraproduktiv ist die Missachtung des Status Quo des Unternehmens.

Grundsätzlich legt die B2B-E-Commerce-Strategie fest, welche Unternehmensziele in welchen Spielfeldern in welcher Form verfolgt werden sollen. Genauso wichtig wie festzulegen was man tun möchte ist jedoch auch das Gegenteil: Somit beschreibt die Strategie idealerweise auch, was man nicht tun möchte. In der Vielzahl der E-Commerce-Möglichkeiten bietet eine Festlegung in diese Richtung mindestens genau so viel Orientierung und Entscheidungshilfe, wenn es um die Umsetzung einzelner Maßnahmen geht.

Veränderungen für B2B-Hersteller durch E-Commerce

In der mehrstufigen Handelswelt stehen Hersteller am Beginn der Wertschöpfungskette, sieht man einmal davon ab, dass sie natürlich auch auf Rohstoffe, Vorprodukte etc. zurückgreifen müssen. Aus Herstellersicht verändert sich der Markt “flussabwärts”, also in den nachgelagerten Stufen des Handels, aber auch auf der Seite der “Endkunden”, die ihre Produkte letztendlich beim Handel beziehen und verwenden. Am gravierendsten sind für B2B-Hersteller hierbei zwei Veränderung

  • Der Groß-/Fachhandel gerät im digitalen Teil des Marktes durch neue digitale Wettbewerber (dank niedrigerer Markteintrittsbarriere) und digitale Angebote größerer Wettbewerber (können hohe Digitalinvestitionen stemmen) unter Druck
  • Die Kunden des B2B-Handels (und somit auch der B2B-Hersteller) nutzen digitale Kanäle auf allen Stufen der “Customer Journey”: bei der Recherche, dem Transaktionsprozess und auch im After-Sales und Service
  • Die Struktur in vielen Kundenbranchen (z.B. im Bauhandwerk) verändert sich nachhaltig. Mit ihr ändern sich die Kundenanforderungen, z.B. in der Beschaffung.

Die Bedeutung digitaler Vertriebskanäle nimmt zu. Für B2B-Hersteller stellt sich also die Frage: Wie können wir daran teilnehmen, ohne mit dem Hintern das einzureißen, was wir uns bisher aufgebaut haben? (Siehe oben: “im Kontext bestehender Vertriebskanäle”).

Bestandteile einer pragmatischen E-Commerce-Strategie für B2B-Hersteller

In der digitalen “Plattformökonomie” verschiebt sich der Kundenzugang zunehmend hin zu digitalen Plattformen, wie z.B. Amazon Business oder vergleichbaren Anbietern. Für B2B-Hersteller ergeben sich neue Möglichkeiten, die Schnittstelle zu den Kunden möglichst aktiv zu gestalten.

Um zielgerichtet arbeiten zu können, benötigen die Möglichkeiten einen übergreifenden Rahmen: die B2B-E-Commerce-Strategie. Für mich besteht dieser Rahmen aus drei Elementen:

  • Direkte digitale Kundenkontaktpunkte (Direct Touchpoints)
  • Die digitalen Angebote von (neuen und alten) Händlern (3rd Party Distribution)
  • Alle relevanten Marktplätze und Plattformen (Marketplaces and Platforms)

B2B-Hersteller, die auf diesen drei Spielfeldern unterwegs sind, machen schon mal einiges richtig. In der digitalen Welt verschwinden die klaren Grenzen der analogen Mehrstufigkeit. Bisher habe ich bei jedem B2B-Hersteller, die Erfahrung gemacht, dass das Modell smart genug ist um alle relevanten Themen darin zu verorten, gleichzeitig aber einfach und pragmatisch genug ist, um Klarheit über alle strategischen Initiativen zu haben. Eine strategische E-Commere-Initiative ist im Grunde jedes Bündel an Maßnahmen, das auf die Weiterentwicklung des digitalen Vertriebs einzahlt. Die Einordnung in die o.g. Struktur sorgt für die Übersichtlichkeit und ist die Grundlage dafür, dass keine Lücke zwischen Zielen und Maßnahmen entsteht.

Direct Touchpoints

Unter die direkten digitalen Kundenkontaktpunkte fallen alle strategischen Initiativen, bei denen das Unternehmen direkten Kontakt zu den Endkunden hat, bei der also die Handelsstufe eine nachgelagerte oder keine Rolle spielt. Theoretisch immer etwas harkelig zu erklären, da es ja ein Rahmen und keine harte Definition sein soll. Daher im Folgenden drei Beispiele zu “Direct Touchpoints”:

  • Eigener Online Shop / digitaler Direktvertrieb: Für viele Hersteller der heilige Gral unter den E-Commerce-Initiativen. Gleichzeitig aber für viele im Kontext der bestehenden Vertriebskanäle undenkbar, selbst direkt online zu verkaufen. Jedoch gibt es bereits einige B2B-Hersteller und -Marken, die sich in diese Richtung entwickeln oder ihn längst gegangen sind, wie die Beispiele in der Galerie zeigen.
  • Digitale Lead-Generierung / eigener Marktplatz / Commerce Connector etc.: Die Abwicklung des Geschäfts von der Kundenakquise zu trennen ist mit der Nutzung digitaler Technologien einfacher geworden. So können Hersteller heute online Kunden für Ihre Produkte akquirieren, den Transaktionsprozess jedoch weitestgehend in der (bestehenden) Handelsstruktur belassen.
  • IoT-basierte Bestellsysteme: Zur Erhöhung der Kundenbindung können B2B-Hersteller bei Kunden mit einem gewissen “Grundbedarf” auch dafür sorgen, dass z.B. Nachbestellungen so einfach wie möglich für den Kunden sind, z.B. über eigene IoT-Anwendungen automatisiert werden.

Direkte digitale Kontaktpunkte sind am Ende alle Kontaktpunkte, die digital und vertrieblich einsetzbar sind. Dazu können z.B. auch der gesamte Social-Media-Auftritt, E-Mail-Marketing, bestehende Kundenbindungsprogramme etc. gehören.

3rd Party Distribution

Für viele B2B-Hersteller ist dieser Bereich der Kern der B2B-E-Commerce-Strategie. In ihm lassen sich alle strategischen Initiativen vereinen, die in Richtung des Handels betrieben werden. Egal ob mit langjährigen Handelspartnern oder neuen, digitalen Händlern, die sich am Markt etablieren – sie alle haben gleichartige Anforderungen an die B2B-Hersteller, z.B. die Struktur und Qualität von Produktdaten. Zudem entstehen auf Handelsseite verstärkt Möglichkeiten, die digitalen Kanäle des Handels gezielter für Kampagnen und Kundenansprache zu nutzen. Drei Beispiele, welche Initiativen in diesen Bereich der Strategie fallen könnten:

  • Gemeinsame Digitalmarketingkampagnen mit Händlern: Es gibt noch nicht allzu viele Händler, die in der Lage sind, gezielt digitale Marketingkampangen an scharf segmentierte Kundengruppen auszuspielen, doch es gibt sie. Einige sind sogar bereit, die KPIs dieser Kampagnen gegen Budget mit den entsprechenden B2B-Herstellern zu teilen.
  • Digitales Vollsortiment: In gut besuchten Online Shops von Händlern kann es sich lohnen, das gesamte Sortiment des Herstellers sichtbar zu machen – obwohl dieser nur die A-Artikel selbst auf Lager hat, der Rest wird als Streckenartikel direkt von Hersteller geliefert.
  • SEO-Support: Viele B2B-Händler sind nach wie vor dabei, Ihre Online Shops für Suchmaschinennutzer besser sichtbar zu machen. Herstellern bringt die direkte Sichtbarkeit für gewissen Suchbegriffe oft weniger, da sie den Suchenden letztendlich garnichts verkaufen wollen. Warum also nicht Händler gezielt dabei unterstützen, die eigenen Produkte besser sicht- und kaufbar zu machen.

Meiner Erfahrung nach ist Fokussierung auf wenige, dafür digital leistungsfähige Partner der Schlüssel zum Erfolg. Statt mit der Gießkanne müssen B2B-Hersteller gezielt mit dem Wasserstrahl vorgehen und eine gewisse Exklusivität ihrer Maßnahmen bewahren. Um die entsprechenden Partner auszuwählen habe ich mit Phil Layer, dem besten freien Amazon-Experten für Hersteller in Deutschland, ein Scoring-Modell entwickelt. Anhand fester Kriterien und unternehmensspezifischer Gewichtung können so die relevantesten 5-10 digitalen Handelspartner schnell selbst ermittelt werden. Das Scoring teilt sich auf in die Bewertung des Unternehmens an sich und seiner E-Commerce-Leistungsfähigkeit. In einer Matrix werden die Ergebnisse übersichtlich visualisiert.

Leser mit Interesse an dem Scoring-Modell können gerne einfach auf folgende E-Mail-Adresse klicken und mir eine vorformulierte E-Mail schicken:

Scoring Modell bei Lennart anfragen

Marketplaces and Platforms

Mit Marktplätzen und digitalen Plattformen muss in einigen Punkten anders umgegangen werden als mit Händlern. Die einzelnen strategischen Initiativen sind daher in der Regel sehr plattformspezifisch. Einige der relevanten Plattformen haben relativ wenige “Standard-Angebote” für B2B-Herstellern und -Marken, andere bringen eine überwältigende Infrastruktur mit, wie z.B. Amazon.

Generell bestehen über Plattformen für Hersteller die spannendsten Möglichkeiten, neues Digitalgeschäft zu generieren

  • Zweitmarken: Auf vielen Plattformen können ohne größere Diskussion Zweitmarken gelistet und unabhängig vom bisherigen Kerngeschäft vertrieben werden, ggf. sogar in einer eigenen Organisation.
  • Exklusive Online-Sortimente: Unternehmen, die sich nicht mit Zweitmarken beschäftigen möchten, können zumindest ein rein für den Online-Vertrieb zugeschnittenes Sortiment anbieten, z.B. mit veränderten Packungsgrößen oder rein auf digitale Schnelldreher fokussiert
  • Internationale Expansion: Eine Expansion “digital first” in neue Märkte ist über digitale Plattformen in der Regel einfacher als über den Handel, zumal es in vielen Branchen nur sehr wenige länderübergreifende Handelspartner gibt

Wichtig zu wissen ist dabei, dass (ähnlich wie bei der 3rd Party Distribution) nicht alle Plattformen gleich relevant sind, abhängig z.B. vom Produkt- oder Kundensegment. Daher lohnt sich auch hier, erst die relevantesten Anbieter herauszufinden – mit einer abgewandelten Form des Scorings.

Der Strategie-Entwicklungsprozess

In den Projekten, die ich in der Vergangenheit mit Unternehmen umgesetzt habe, bin ich in der Regel wie folgt vorgegangen:

  1. Kurze Analysephase nach innen (eigene Leistungsfähigkeit im Thema E-Commerce), bei der z.B. Produktdaten und Logistik betrachtet werden. Im zweiten Teilschritt eine kurze Marktanalyse, um z.B. relevante Wettbewerber und deren Strategien zu kennen.
  2. Entwicklung des generellen Strategierahmens, angefangen bei der Vision, übergreifenden Zielen und daraus abgeleiteten Zielen über die Bereiche Direct Touchpoint, 3rd Party Distribution und Marketplaces and Platforms. Bestimmung von Kennzahlen (KPIs) zur späteren Erfolgsmessung.
  3. Definition der Maßnahmen zur Zielerreichung in Direct Touchpoints, 3rd Party Distribution und Marketplaces and Platforms. Setup der Umsetzung durch Definition der ersten Maßnahmenpakete, parallel der Aufbau bzw. die Anpassung der (wie auch immer gearteten) E-Commerce-Abteilung.
  4. Rollout der ersten Maßnahmen in ihrem jeweiligen Bereich, paralleles Nachschärfen der E-Commerce-Strategie.
  5. Permanente Erfolgsmessung anhand der KPIs, Optimierung der Maßnahmen, Ausprobieren neuer Maßnahmen, Abschneiden nicht funktionierender Maßnahmen. Definition neuer Ziele bei Zielerreichung etc.

Neugierig geworden? Praktische Beispiele zu B2B-E-Commerce-Strategien gibt es live bei der B2B Digital Masters Convention im November:

Operating Model – Umsetzung der Strategie

Die Umsetzung der Strategie ist letztendlich das, was dem Markt – den Händlern, Plattformen und Kunden – Mehrwert liefert. Im Operating Model werden die konkreten Rollen in der Umsetzung festgelegt sowie Verantwortlichkeiten und konkrete Aufgaben definiert. In vielen Unternehmen bedeutet das, die Kooperation intern zu verbessern und Verantwortung neu zu strukturieren. Wichtig ist, dass dies auf Basis der Strategie passiert, nicht umgekehrt: Form follows function.

Entscheidend sind am Schluss die Zusammensetzung der Teams, ihre interne Integration und die nötigen Freiheitsgrade und die damit erzielbare Geschwindigkeit in der Umsetzung einzelner Maßnahmen. E-Commerce darf keine Eigendynamik entwickeln, solange sich das Thema nachhaltig im Kern des Unternehmens entwickeln soll. Das Thema Operating Model ist in seinen Ausprägungen jedoch so vielfältig, dass ich wohl einen eigene Artikel darüber schreiben muss. Fortsetzung folgt.

Mit dem warenausgang-Newsletter-Abo keine Fortsetzung mehr verpassen. Jetzt eintragen und registrieren:

Teile diesen Beitrag in...

2 Kommentare

  1. Hallo Lennart,

    bin ich voll bei Dir. Ein Punkt fehlt mir allerdings. Analoge Bestellwege wie eMail, Fax und Telefon haben im B2B immer noch einen extrem hohen Anteil. Hier sollte man bestrebt sein den Anteil digitaler Bestellungen zu steigern und Kunden vom analogen Bestellweg auf den digitalen zu switchen. Dadurch entsteht eine höhere Effizienz und eine signifikante Kostensenkung im Außen- sowie Innendienst und Customer Service.

    Grüße
    Oliver

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.