B2B E-Commerce Projekte richtig angehen, lohnt sich “Wer liefert Was” und Amazons B2B Eigenmarke (DD#8)

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Das Gründen fordert seinen Tribut, ich habe leider sehr wenig Zeit, Blogartikel zu schreiben, aber für einen Durchblick Dienstag sollte es noch reichen. Ich habe wieder ein paar Fragen erhalten, von denen ich diesmal gleich drei in der 8. Ausgabe beantworten möchte.

Der Durchblick Dienstag wird präsentiert von:

DIGITAL IS THE NEW NORMAL: Die B2B Digital Masters Convention – eine neue Veranstaltung für B2B Digital Commerce am 06. und 07. November in Böblingen bei Stuttgart. Zwei Tage lang Einblicke, Diskussionen und Netzwerken von B2B Digital Commerce Praktikern für B2B Digital Commerce Praktiker. Tickets ab 399 EUR (netto).

“Beim Start eines neuen B2B eCom Projektes in einem aktuell nicht auf eCom und digital ausgerichteten Unternehmen, was sind die drei/vier Hauptpunkte, die zu beachten sind? Gibt es für Dich ein Raster, eine Formel, wie Du so etwas anfängst? Worauf achtest Du besonders, welche Struktur muss als Erstes stehen, um überhaupt agil loszulegen und die Reise zu beginnen?” (Frage von Alex)

Ein B2B-E-Commerce-Projekt kann ja grundsätzlich alles sein, vom Aufbau digitaler Marketingkanäle, über einen Online Shop bis hin zu einer ganzen, übergreifenden Strategie. Ein einziges Raster dafür gibt es bei mir nicht und ich halte es auch nicht für sinnvoll, mit einer Blaupause alle Projekte erschlagen zu wollen. Das ist, glücklicherweise oder leider, immer von der tatsächlichen Unternehmenssituation abhängig. Daher gibt es aber keine Formel und kein Raster, das den Erfolg garantiert. Ich halte auch nichts von irgendwelchen Digital Fitness Checks, bei denen am Ende nur eine Beratung viel Geld für eine PowerPoint-Datei bekommt, die Leute erstellt haben, die in der Tiefe mit der gegebenen Zeit die Themen überhauptnicht überblicken können.

Es gibt jedoch ein paar Themenbereiche, die man sich vorher genau anschauen sollte, um die Erfolgsschancen ausloten zu können:

  • Unternehmensziele (bzw. -vision oder -mission): Wie jedes andere Projekt muss man ein bestehendes bzw. geplantes B2B-E-Commerce-Projekt zuerst mal gegen das laufen lassen, was sich das Unternehmen langfristig auf die Fahne geschrieben hat. Aus den Leitsätzen lassen sich oft das richtige Ambitionslevel und die richtigen Projektziele ableiten – sofern Leitsätze, egal ob Vision noch Mission oder Ziel, im Unternehmen überhaupt vorhanden sind und dann auch noch gelebt werden. Trotzdem, zwei Positivbeispiele: a) Wenn ein Unternehmen in seiner Mission stehen hat “Wir wollen unseren Kunden den besten Service in unserer Branche bieten”, dann muss das m.E. für digitale Projekte auch genauso gelten und für diese Projekte übersetzt werden. b) Hat ein Unternehmen sich irgendwo aufgeschrieben “Wir wollen jedes Jahr um 5% Wachsen, insbesondere durch die stärkere Bindung und vertriebliche Bearbeitung unserer Stammkunden”, dann sollte sich genau das auch im ersten Wurf einer Digitalstrategie oder eines Online Shops wiederfinden.
  • E-Commerce- bzw. Digital- bzw. Multichannel- bzw. Wasauchimmer-Strategie und Kennzahlen: “Wir machen jetzt einfach mal einen Online Shop und verkaufen auch über das Internet”. Ein Satz, den man selbst 2019 noch oft hört. Einfach mal Start-up-like einen Raushauen und kucken, was passiert. Wer so fahrlässig mit der Erschließung eines der branchenübergreifend am schnellsten wachsenden Marketing- und Vertriebskanäle umgeht, der sollte sein Entsetzen über das ebenso Start-up-like Scheitern seines E-Commerce-Projektes im Zaum halten. Viele E-Commerce-Projekte laufen aus dem Ruder, weil sich die dafür Verantwortlichen im Voraus nicht Einbettung eines derartigen Projekts in einer übergreifenden Vorgehensweise (sprich “Strategie”) überlegt haben. Ich habe das früher auch nicht getan – das war einer der Hauptgründe, warum ich mit Projekten auf die Nase gefallen bin. Heute würde ich mir zunächst immer erst einen Handlungsrahmen überlegen, in den ich alle digitalen Initativen im Unternehmen legen und ihren Erfolg einigermaßen zählbar danach bewerten (“Kennzahlen” bzw. “Key Performance Indicators”) kann, ob sie meiner Erwartung entsprechend auf ein Ziel einzahlen, z.B. Wachstum, glücklichere Kunden, geringere Kosten, etc.
  • Stakeholder: Tolles, neudeutsches / -denglisches Wort, heißt im Prinzip “jeder, der ein Interesse am Projektergebnis hat”. Das können interne als auch externe Stakeholder sein, z.B. der Vorstand oder der Produktmanager (intern) oder Kunden und Lieferanten (extern). Vor einem Projekt würde ich mir erst mal Gedanken machen, wer überhaupt mal befragt (z.B. Kunden) oder abgeholt (z.B. Kollegen aus anderen Abteilungen und insbesondere aus anderen Vertriebskanälen) werden muss, damit ich als Projektleiter überhaupt die Chance habe, dass mein Projektergebnis das Tageslicht erblickt. Grundsätzlich gilt dabei der Merksatz von Henry Ford (“Hätte ich meine Kunden gefragt, was sie wollen, hätten sie gesagt ‘schnellere Pferde'”), aber wer sich nicht ausführlich mit den Gedanken seiner Interessensgruppen beschäftigt und deren Erwartungshaltung versucht zu erfahren, der darf sich auch nicht wundern, wenn er an der Erwartung vorbeiarbeitet und dann nur noch enttäuschte Menschen um sich herum hat.
  • Daten und bestehende Systeme: Darüber könnte man ein ganzes Buch schreiben. Die Basis eines jeden E-Commerce-Projekts, egal ob Shop, Marketing oder sonstirgendwas, das mit “wir verkaufen/vermarkten unsere Produkte jetzt online” zu tun hat. Datenseitig würde ich mir mindestens mal die Produktdaten anschauen, am besten noch Kundendaten und historische Transaktionsdaten bzw. deren flexible Nutz- und Auswertbarkeit. Gerade an Produktdaten scheitern B2B-E-Commerce-Projekte oft. Die B2B-E-Commerce-Eignung der bestehenden Daten wird in der Regel massiv überschätzt. Natürlich kann man parallel Produktdaten und E-Commerce hochziehen, aber die Ausgangsbasis sollte glasklar an alle Beteiligten kommuniziert werden (siehe Punkt “Stakeholder” bzw. “Erwartungs-Management”). Auch für bestehende IT-Systeme gilt, vorher genau hinzuschauen. Die alte AS400 ist halt in einer Zeit entwickelt worden, als es noch kein E-Commerce gab und selbst Datenfernübertragung noch was für wilde Meganerds war. Muss man deshalb erst ein neues ERP einführen? Natürlich nicht. Aber sich vllt. mal Gedanken machen, ob man die Inkompatibilität bzw. das Nicht-Vorhandensein (z.B. CRM) verschiedener Systeme nicht doch irgendwie einkalkulieren und ggf. smart überbrücken muss. Was auch hilft: mit den Kollegen der “Legacy IT” hinsetzen und ihnen nicht vom Start weg das Gefühl geben, dass ihre Technologie alt, ihr Mindset angestaubt und ihre Unflexibilität erfolgshindernd ist.

Hallo Lennart, WLW (Wer liefert Was? Anm. d. Autors) lobt sich ja gerne als Der B2B Marktplatz. Wie schätzt Du denn deren Geschäftsmodell ein bzw. den Nutzen für Kunden und Händler? (Frage von Norbert)

Ich habe den WLW-CEO Peter Schmidt vor über zwei Jahren mal interviewt: “Wer liefert Was? Onlinepioniere im B2B Digitalmarketing”. Seither ist bei den Hamburgern viel passiert. Zuletzt sprach man von 2018 als dem erfolgreichsten Jahr in der Firmengeschichte (50 Mio. EUR Umsatz), unter “Visable” wurden die Marken Europages, WLW und das im Frühjahr gekaufte Portal “gebraucht.de” zusammengefasst. In der Außendarstellung wird man gerne als “Das Alibaba Europas” positioniert, über 37 Millionen Suchanfragen gingen 2018 im DACH-Raum ein. Das Marketing und die PR suggerieren also, dass es schön aufwärts geht für das 1923 gegründete Verlagshaus. Auch zur Beantwortung von Norberts Frage ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. B2B ist nicht gleich B2B. “Den B2B-Markt” gibt es nicht. Je nach Branche, Produkt, Kundensegmenten etc. fällt die Antwort nach dem Nutzen von WLW für Kunden und Händler unterschiedlich aus.

Das Wichtige vorweg: Aus meiner Sicht hat es WLW bislang nicht geschafft, eine digitale Transaktionsplattform für dauerhafte B2B-Beschaffung zu werden. Da sind Amazon Business, Mercateo etc. viele Schritte weiter. Die Herausforderungen, die man überwinden muss, um multiple Produkt- und Lieferantenkataloge übereinander zu legen, sind immens. Bei WLW sieht es nicht so aus, als ob Produktdatenharmonisierung im großen Stil schon überdurchschnittlich gut (aus Kunden- bzw. User-Sicht) gelungen ist. Das Angebot auf WLW ist zudem in vielen Kategorien sehr dünn, was die Anzahl an Produkten oder die Anzahl an Lieferanten angeht (z.B. “Gleitlager”). Ich weiß auch nicht, ob man, Europa hin oder her, noch eine weitere sehr generalistische Plattform braucht, die sich in die Phalanx der digitalen Beschaffungsplattformen, -netzwerke etc. einreiht.

Für die Online-Recherche von Einkäufern, die z.B. nach möglichen neuen Lieferanten oder gewissen Produkten suchen, die einmal oder sehr unregelmäßig beschafft werden, kann WLW schon mehr Sinn machen. Wenn ich also als Kunde meine Recherche nicht auf Google basieren möchte, kann WLW durchaus besser aufbereitete Informationen bieten, als so machen Unternehmenswebsite. Als Anbieter technisch komplexer und konfigurierbarer Produkte kann ich WLW nutzen, um darüber meine Reichweite zu erhöhen. Andererseits gibt es mittlerweile auch viele Nischenplattformen wie z.B. Orderfox, bei der ich einen Auftrag im CNC-Bereich direkt platzieren kann, ohne erst mühsam mit den möglichen Lieferanten sprechen zu müssen.

Fazit: Der Kundennutzen besteht darin, ggf. schneller zu einem neuen Lieferanten zu kommen, mit dem ich dann aber eher außerhalb der Plattform kommunizieren würde, so meine Hypothese.

Der Nutzen für Anbieter (insb. komplexerer Produkte) ergibt sich dadurch, dass WLW ein Kanal im Digitalmarketing sein kann, den man nutzt, um neue Kunden zu gewinnen.

“Amazon startet mit Amazon Commercial eine B2B-Eigenmarke. Was steckt da dahinter und wie wird Amazon weitere Eigenmarken entwickeln?” (Frage von Peter)

In der letzten Woche geriet die B2B-E-Commerce-Welt wieder an den Rande der Schnappatmung, als bekannt wurde, dass Amazon mit Amazon Commercial eine neue Marke für Produkte mit B2B-Fokus in den USA gelauncht hat. Das Online-Magazin “AdAge” war eine der ersten Publikationen, die darüber berichtet hat. Zunächst sind die Produkte auf Toilettenpapier, Taschentücher bzw. Servietten und Papierhandtücher beschränkt und nur in den USA erhältlich.

Es ist ja nicht so, dass Amazon nicht mit Amazon Basic schon einige tausend Produkte, darunter auch B2B-nahe Produkte wie Handwerkzeug, seit mehreren Jahren verkauft. Die Kausalkette, dass Amazon erst den mehrstufigen Handel und dann die Hersteller im B2B angreift, bestätigt sich einmal mehr. Das ist insofern auch nichts Neues, da es ja bereits fast 150 Eigenmarken von Amazon gibt. Wenn man einfache Produkte wie Windeln im B2C mit einer Eigenmarke ersetzen kann, warum sollte man dann nicht Papierhandtücher ersetzen können? Oder Kopierpapier? Oder Schruppscheiben? Oder sonstige Produkte, die heute schon massenhaft als White Label gehandelt werden.

Ich glaube, dass man diese Produkte bald auch in Europa kaufen kann. Amazon hat mehrfach betont, dass der B2B-Markt immense Bedeutung für das Unternehmen hat. Die Vertikalisierung geht weiter, erst den Handel und Kundenzugang kontrollieren, dann darüber Produkte nachschieben. Diese Logik werden wir in den nächsten Jahren immer häufiger beobachten, in den verschiedensten Kategorien, angefangen da, wo Marken wenig Bedeutung besitzen und Produkte leicht austauschbar sind: Klopapier, Schrauben, Verpackungsmaterial, Klebebänder etc.

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