Philipp Blome ist CEO bei Metro Markets, einer Tochter der Metro AG. Dort baut er seit 2018 den B2B-Marktplatz von Metro auf – zunächst als One-Man-Show, inzwischen mit einem auf mehrere hundert Kolleginnen und Kollegen angewachsenen Team. Philipp ist auf ganzer Linie Metro: Der 38-Jährige hat bereits bei Metro sein duales Studium absolviert und im Vertrieb gearbeitet, bevor es ihn in die IT und ins Digitalmarketing bei Payback verschlagen hat.
Digital Commerce Experten ist Philipp als ehemaliger CEO von Real Digital bekannt, wo er sehr erfolgreich einen B2C-Marktplatz aufgebaut hat, bevor er zur Metro gewechselt ist. Im Gespräch mit Warenausgang gibt Philipp tiefen Einblick darin, wie sich ein Großhändler öffnet, um ein Marktplatz-Modell zu etablieren und welche Faktoren beim Aufbau eines Corporate Start-ups zum Erfolg führen.
Metro AG: Konsequente Konzentration auf B2B
Kerngeschäft der Metro AG ist das Großhandelsgeschäft, allen voran die 678 Cash & Carry Märkte weltweit – oder wie Philipp sagt: “die großen blauen Boxen, die jeder kennt.” Zudem betreibt die Metro ein relativ großes Belieferungsgeschäft für Großkunden, vorwiegend Hotels, Restaurants und Catering-Betriebe (HoReCa). Nachdem Metro in den vergangenen Jahren Real verkauft hat und MediaMarkt und Saturn in Ceconomy aufgegangen sind, ist sie nun vollkommen auf das B2B-Geschäft ausgerichtet. Neben HoReCa-Betrieben beliefert Metro lokale Händler, die vorwiegend in Osteuropa und Asien vom Großhandel beziehen.
Corporate Start-up Metro Markets ist der Kulturwandel der Metro im Quadrat
Parallel dazu wird das Geschäft im Onlinehandel intensiv ausgebaut. Eine der Leitinitiativen ist der Aufbau der B2B-Marktplatz-Plattform Metro Markets, auf der Metro eigene Produkte vertreibt, die aber auch offen ist für externe Anbieter – Konkurrenz am Produkt inklusive. Für einen klassischen Großhändler steckt hier gewissermaßen der Kulturwandel im Quadrat: Öffnung für Mitbewerber und gleichzeitig das Digitalgeschäft auf- bzw. ausbauen. Metro-Eigengewächs Philipp musste von Anfang an enorme Kraft aufbringen, diesen Wandel zu begleiten.
“Wir wollen unseren Kunden mit einem tollen Sortiment ein tolles Einkaufserlebnis bieten.”
Philipp Blome, CEO Metro Markets, über das Ziel des Corporate Startups
Metro Markets, das Corporate Start-up, das Philipp Blome heute führt, ist 2018 auf der grünen Wiese gestartet. Hauptsächlich agiert Metro Markets im Non-Food-Segment. Ziel ist es, durch das größtmögliche Sortiment auf dem Marktplatz und zielgruppengerechte Services der Beschaffungspartner Nummer Eins für die HoReCa-Industrie zu werden – und natürlich den Share-of-Wallet bei seinen Kunden weiter zu erhöhen.
“In September 2019, the METRO Marketplace was launched, creating a new platform with a wide range of non-food products for the hotel, restaurant and catering industry (HoReCa).”
Quelle: Metro Markets
Dabei ist der Metro Marktplatz keine klassische, geschlossene Procurement-Plattform, wie man sie im B2B kennt, sondern orientiert sich stark an einem B2C-lastigen Beschaffungsprozess – nur eben mit einem B2B-Produktsortiment. Bezeichnend ist auch, dass sie nicht parallel, sondern under der URL https://www.metro.de/marktplatz/ läuft. Philipp sieht die Kernaufgabe darin, Beschaffung so zu vereinfachen, dass der Aufwand für Kunden so gering wie möglich ist. Am ehesten gelingt das durch ein breites und tiefes Sortiment in den zielgruppenspezifischen Kategorien auf einer Plattform.
Der Marktplatz von Metro Markets
Go-to-Market: Vom Reißbrett zur Branchenmesse
Grundlage des Unternehmensaufbaus, auch für die interne Überzeugungsarbeit, ist ein “relativ solider Businessplan”, so Philipp, der die Entwicklung für die ersten Jahre am Markt festhält. Natürlich kam ihm dabei auch der erfolgreiche Aufbau von Real Digital zugute. Wichtig sei es dabei, auf relevante Entscheidungskriterien zu achten. Dabei rät E-Commerce-Profi Philipp etwa, sich anzuschauen, wie sich die Order Economics entwickeln, wie sich Customer Lifetime zu Customer Acquisition Cost verhält und ob die variablen Kosten gedeckt sind.
Seine ehrgeizige Zeitleiste konnte Metro Markets nur durch parallel laufende Projektstränge einhalten. Um überhaupt erst einmal ein Angebot zu schaffen, mussten Lieferanten und Partner frühzeitig involviert werden. Gleichzeitig galt es, Kunden mit einzubeziehen, um eine Lösung entwickeln zu können, die auch tatsächlich Kundenanforderungen entspricht. In den letzten vier Wochen vor Live-Gang erfolgte die Kundenakquise und erste externe Seller wurden auf eine Beta-Version der Plattform ongeboarded.
Auch das Marketing wurde sukzessive hochgefahren, allen voran das Performance Marketing in Form von Suchmaschinenoptimierung. Die Zielgruppe auf der Sell-Side sindunabhängige Händler, auf der Buy-Sidedie kleinen und mittelgroßen HoReCas, nicht etwa große Handelskonzerne oder Hotelketten. Somit orientiert sich der Beschaffungsprozess auf der Plattform zielgruppengemäß eher an der Erfahrung im B2C, mit B2B-affinem Sortiment. Darauf ist auch das Marketing ausgerichtet: Die Customer Journey beginnt häufig mit der Suche, weshalb Metro dort gleich zu Beginn stark sichtbar werden muss. Inzwischen befindet sich das Unternehmen in einer Phase, in der stärker B2B-typische Marketingkanäle integriert werden, etwa Branchenmesse oder zielgruppenspezifisches Direktmarketing in Form von Flyern.
“Wenn ich es schaffe, die klassischen Marketingkanäle genauso gut messbar und trackbar zu machen wie die digitalen, dann habe ich eine gute Ausgangsbasis, um das Ganze analytisch anzugehen und nicht durch Emotionen geleitet.”
Philipp Blome zur Integration von Offline-Marketingkanälen in den Marketing Mix
Die Kunst liegt darin, so Philipp Blome, klassische und digitale Marketingkanäle optimal zu verbinden – und dabei die klassischen so messbar zu machen, dass man durch Modellierung schnell erkennt, was funktioniert und was nicht. Grundsätzlich geht Metro Markets ergebnisoffen vor und probiert neue Marketingmaßnahmen aus, was auch der Breite an Produktkategorien im Sortiment geschuldet ist. Wenn jemand wöchentlich eine halbe Palette Servietten bestellt, dann sind andere Marketingmechanismen gefragt, als wenn jemand eine neue Küchenausstattung sucht.
Brücke zwischen Mutterschiff und Digital-Start-up
Philipp sieht für Corporate Start-ups wie Metro Markets mehrere Erfolgsfaktoren, die dazu beitragen, dass das ausgegründete Unternehmen fliegt: Teamaufbau, digitales Mindset, operative Nähe zum laufenden Geschäft, Geschwindigkeit und Tech-Ownership.
An erster Stelle steht für ihn der Aufbau des Teams mit dem passenden Personal, um die organisatorischen Voraussetzungen für Wachstum zu treffen. Einerseits geht das durch externe Neuzugänge, vor allem aber auch durch Personen aus dem Konzernumfeld, die das laufende Geschäft gut kennen. Wichtigstes Kriterium ist dabei die Fähigkeit, unternehmerisch zu denken, damit das Team im Stande ist, Dinge schnell umzusetzen und zu verantworten. Dadurch entsteht die Brücke zwischen Greenfield und Mutterschiff, die es erlaubt, die gesamte Organisation mitzunehmen. Komplett isolierte Digitalinseln, so Philipp, könnten kein Erfolg haben – egal wie gut die Leute und das Geschäftsmodell sind. Neben dem unternehmerischen bräuchten das Team ein digitales Mindset, müsse also digitale Geschäftsmodelle verstehen und sämtliche Entscheidungen darauf ausrichten.
“Du musst eine Brücke bauen zwischen dem bestehenden Geschäft und dem neuen Geschäft. Und mit der Brücke meine ich nicht einfach eine sinnlose Verzahnung der Geschäftsmodelle, sondern es hat vielmehr mit Menschen zu tun: eine emotionale Brücke, die man bauen muss zwischen den Menschen.”
Für Philipp Blome gelingt die Verbindung von digital Business mit klassischem Geschäft nur über eine menschliche Komponente.
Operativ heißt das vor allem: Durch das digitale Angebot Kundenprobleme lösen, die bestehende Kundenbeziehung dadurch verbessern und Kundenmanagern die Arbeit zu erleichtern. Wenn Kunden über den Marktplatz 300 Teller per Next-Day-Delivery bestellen können oder eine Auswahl an Spezialprodukten erhalten, die im klassischen Handel nie möglich wäre, dann steigert das auch intern die Akzeptanz. Gleichzeitig ist es laut Philipp wichtig, sich die nötige Zeit zu nehmen, im Konzern Zusammenhänge zu erklären und sie greifbar zu machen
Ein weiterer Faktor ist Schnelligkeit, also der Wille und die Fähigkeit innerhalb kurzer Zeit greifbare Ergebnisse zu liefern. Für Metro Markets bedeutete das, im Januar 2019 mit der Software-Entwicklung zu starten, neun Monate später den Live-Gang zu vollziehen und ein halbes Jahr später eine Plattform zu haben, die 200.000 Artikel listet. Es gilt also, ambitionierte Zeitpläne zu setzen, sie aber auch einzuhalten.
Technologie-Ownership steht an oberster Stelle
Die Technologie hinter der Plattform wurde kontinuierlich, iterativ entwickelt – sprich: im inzwischen typischen MVP-Vorgehen. Der Kern ist keine Standardlösung, sondern selbst entwickelte Software, die auf einer typischen Micro-Service-Architektur beruht. Das heißt: Die einzelnen Module sind voneinander unabhängig und über Schnittstellen miteinander verbunden, sodass Einzelteile weiterentwickelt werden können, ohne gleich an allen Schrauben drehen zu müssen. Das macht die Plattform aber auch offen für die Anbindung weiterer E-Commerce-Plattformen, gegebenenfalls wenn sich zusätzlich digitale Metro-Geschäftsmodelle entwickeln. Neben dem Plattform-Kern werden an gewissen Stellen auch Standardlösungen eingesetzt, etwa für Customer Care oder für die Lagerverwaltung. Philipp sagt: “Diese Probleme haben schon viele Leute gelöst und wir sollten sie nicht [noch einmal] lösen. Wir sollten die Dinge bauen, über die wir uns differenzieren wollen und wo wir glauben, dass es sie noch nirgendwo gibt.”
Wichtig ist, selbst die Technologiekomponenten zu verstehen und weiterentwickeln zu können. Klar braucht man Partner – besonders am Anfang – um schnell in den Entwicklungsmodus zu kommen und Ergebnisse zu liefern. Die eigene technologische Kompetenz und die Expertise in-house aufzubauen, ist für jede Plattform essenziell. Und Metro Markets versteht sich als Tech-Unternehmen. Zwar gibt es neben der Plattform verschiedene Geschäftsmodelle. Die wiederum werden durch Technologie erst richtig befähigt. Das zeigt sich auch im Team: Inzwischen sind über die Hälfte der Metro-Marketsianer an den Standorten in Düsseldorf und der Ukraine im Tech-Team angesiedelt.
“Und den Unterschied, das wirklich coole Einkaufserlebnis, wird aus dem Produkt heraus kommen. Und deshalb müssen wir das ownen und selber bauen.”
An Tech-Kompetenz führt für Blome kein Weg vorbei.
Dazu zählt es auch, auf der Business-Seite datengetrieben vorzugehen. Wer anfängt, seine eigenen Daten zu verstehen, der kann Diskussionen von der Meinungs- auf die Zahlenebene bringen – sprich: Vorgehensweisen belegen, fundiert argumentieren und gegebenenfalls nachjustieren.
“Was sehr, sehr wichtig ist, ist Pragmatismus. Man könnte auch alles sehr kompliziert machen, aber ich versuche, Kompromisse einzugehen, um einfach schnell mal was zu liefern, schnell auszuprobieren.”