Recap Digital Commerce Day 2017: Alternativen aufgezeigt

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Hamburg, 27. März 2017. “Was ist die Alternative? – Wege aus der Digitalisierungsfalle.” das diesjährige Motto des Digital Commerce Day in Hamburg. Mit über 400 Besuchern erreichte der diesjährige DCD einen neuen Rekord.  Als Kurator des B2B Tracks mit Contorion, Zoro, WUCATO, Restposten.de und OroCommerce freut mich das natürlich. Es zeigt das Potenzial von Veranstaltungen mit hochklassigen Speakern auf – auch für B2B.

Auch die Besucher waren hochkarätig. 50/50 teilte sich die Besucherschar zwischen B2B (50% Hersteller/50% Händler) und B2C auf. Die meisten der Besucher waren Vorstände, Geschäftsführer, Head-ofs und dergleichen. Dass der Digital Commerce Day mit dem warenausgang.com B2B Track nun auch in der Mitte des B2B Interesses angekommen ist, zeigte der zu über 100% ausgelastete kleine Saal, in dem die Präsentationen und die Paneldiskussion stattfand.

Im Schrauben- und Werkzeugbusiness sind in der letzten Zeit immer mehr digitale Alternativen entstanden. Zum Teil schon lange vor Amazon Business. Im Folgenden dazu meine fünf Cents und die Beobachtungen aus den Vorträgen.

“Das Internet ist Bedrohung und Gewinn zugleich. Die Onlinekonkurrenz wächst wie Unkraut. Wie sich zeigt, wachsen diese Bäume aber auch nicht in den Himmel. Wir sind glücklicherweise keine Buchhändler und keine Banker. Unsere Ware kann man nicht durch den Draht beamen.”

Prof. Reinhold Würth, November 2016

Philipp Lüders, Zoro.de: “…30.000 Außendienstmitarbeiter aber schon”.

Philipp Lüders, VP of Operations and Sales bei Zoro.de, nutzte das Würth’sche Zitat, um zu zeigen, dass Zoro.de genügend Selbstbewusstsein hat, um dagegenzuhalten. Zoro.de ist nach wie vor Teil des US-amerikanischen MRO-Riesen Grainger Inc. Dieser ist mittlerweile der elftgrößte Online-Händler der USA. Zoro.de gehört dem Geschäftsbereich “Single Channel Online Business an”. Dieser 1,1 Mrd. US-Dollar große Bereich besteht aus den Grainger-Onlineaktivitäten in Japan (Monota.ro), den USA (zoro.com), UK (cromwell.co.uk) und eben Deutschland (zoro.de).Dieses Geschäft ist gekennzeichnet durch niedrige Margen (ca. 10% Operative Earnings) und hohes Wachstum (zw. 30 und 35 % Revenue Growth 2016).

"Den" B2B Markt gibt es nicht, eines der Learnings dank Philipp Lüders, Zoro (Foto: privat)
“Den” B2B Markt gibt es nicht, eines der Learnings dank Philipp Lüders, Zoro (Foto: privat)

Auch für Grainger war der Schritt vom traditionellen Direktvertriebsmodell zum Single Channel Business ein großer und schmerzhafter. Nicht nur die Preistransparenz im Onlinekanal tut weh, auch der Aufbau neuer Ressourcen, die die nötigen Digitalskills mitbringen, war für Grainger kein Zuckerschlecken. Aktuell scheint man aus dem Gröbsten jedoch heraus zu sein. Zoro.de erwirtschaftete 2016 – zwei Jahre nach Launch –  knapp 20 Mio. EUR Umsatz. Bei der Marktbearbeitungen konzentriert sich Zoro.de zunächst auf Klein- und Kleinstkunden. Systemschnittstellen sind daher z.B. aktuell noch kein Thema.

Was bei Philipp Lüders’ Beitrag sehr deutlich wurde: Zoro profitiert massiv vom Wissen der US-amerikanischen Mutter Grainger, der Schwester Zoro.com und der japanischen Schwester Monota.ro. Generell merkt man Zoro an, dass sie sehr lernbegierig sind. Dies war auch unter dem Strich die Antwort auf die Frage “Warum verkauft Zoro über Amazon?”. Mit “We go where the customer is” hatte Dirk Kiele-Dunsche, bis zum Winter noch Gründungsgeschäftsführer von Zoro.de, diese Frage im warenausgang.com-Interview bereits ähnlich beantwortet. So stoisch und ruhig wird Zoro wohl weiter seinen Weg gehen. Doch rein umsatztechnisch scheint Zoro.de mit 20 Mio. EUR in 2016 bereits etwas an Boden auf Contorion (s.u.) verloren zu haben.

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Johannes Keller, WUCATO.de: “Wir fangen an, wo Zoro aufhört.”

Der nächste im Scheinwerferlicht war Johannes Keller, Gründer und Geschäftsführer von WUCATO.de, dem Würth-Spinoff, das am 01. Dezember 2016 seine Launchparty feierte. Im Vorfeld war es der Name WUCATO, der bei den Besuchern die meisten Fragezeichen hervorrief. Zwar ist der Ansatz bereits bekannt, doch was dahinter steckt, wussten im Vorfeld die wenigsten einzuschätzen. Interessant ist, dass Johannes in seiner Präsentation nicht ein einziges Mal den Begriff “Online-Shop” verwendete. WUCATO ist viel mehr ein Einkaufstool, das den Kunden – deutscher Mittelstand zwischen 20 und 500 Mitarbeitern – die Konsolidierung mehrerer Lieferanten und Sortimente auf eine Plattform ermöglicht.

WUCATO setzt darauf, dass im C-Teile Beschaffungsbereich (Fokus der Plattform), die Prozesskosten viel größer sind als die Materialkosten. Die Plattform unterstützt also bei der Optimierung der Beschaffungsprozesse durch deren Digitalisierung. Aus der WUCATO-Sicht werden Lieferanten zu Systemanbietern, die neben Produkten auch Services verkaufen. Je stärker sich Lieferanten dazu transformieren, desto stärker auch die Kundenbindung. Das einzelne Produkt rückt mit seiner Bedeutung ins zweite Glied.

Einkauf digitalisieren - könnt ihr das? Eine Frage, die sich WUCATO und Johannes Keller gefallen lassen müssen (Foto: privat).
Einkauf digitalisieren – könnt ihr das? Eine Frage, die sich WUCATO und Johannes Keller gefallen lassen müssen (Foto: privat).

Wer also bisher dachte, WUCATO sei ein Amazon Business Klon, der liegt weitestgehend falsch. Zudem richtet sich WUCATO zunächst an Würth-Kunden und nutzt den bestehenden Kundenzugang. Seit Launch sind bereits 150 Kunden auf der Plattform aktiv. Bei ca. 300.000 Würth-Kunden in Deutschland zwar noch eine relativ kleine Anzahl. Ein Besucher und Brancheninsider meinte nach dem B2B Track: “WUCATO hat den Markt bestimmt am besten verstanden.” Er meinte damit im Vergleich zu Contorion und Zoro. Dieser Eindruck, zumindest was das Marktverständnis angeht, ist durchaus nachvollziehbar.

Die spannende Frage “Wie “unabhängig” kann WUCATO sein, wenn Würth mit eigenen Marken und Produkten auf der Plattform gegen Mitbewerber von C-Teilen antritt?” hatte ich leider in der Fragerunde nach dem Vortrag im Fragentool nicht entdeckt. Bleibt zu hoffen, dass WUCATO – im Übrigen gilt das auch für Zoro – nicht das Schicksal widerfährt, das schon einigen Corporate Startups widerfahren ist: Was das Gründerteam im Schweiße seines Angesichts mühsam konzipiert und aufbaut, wurde schon oft in Konzernzentralen mit dem Hintern wieder eingerissen.

Tobias Tschötsch, Contorion: “Contorion ist heute ein digitaler Fachhändler.”

Die zufällige Aufreihung der Referenten erwies sich am Veranstaltungstag als großer Glücksfall. Zum Abschluss der Präsentationen brachte Tobias Tschötsch nämlich mal ordentlich Futter für die wissbegierigen, analogen Wettbewerber mit:

  • Kunden: 200.000
  • Durchschnittsalter Kunde: 48 Jahre
  • Direkte Herstellerbeziehungen: > 100
  • Retourenquote: 3%
  • Mobiler Traffic: 34%
  • Umsatz Q1 2017: 9,4 Mio. EUR
  • Durchschnittlicher Warenkorb: 176 EUR

Die Präsentation von Tobias Tschötsch ist nach meinem Dafürhalten einen eigenen Beitrag wert, den ich auf warenausgang.com bald folgen lassen werde. Da ist es dann auch egal, wenn mich der ein oder andere Leser langsam für einen Contorion-Fanboy hält. Natürlich können sich die Jungs aus Berlin sehr gut verkaufen – doch wer das für das ganze Geheimnis hält, vergisst: die sind auch ziemlich gut. Das zeigt auch die folgende Entwicklung, die Contorion seit 2014 durchgemacht hat.

  • 2014: Start als Marktplatz, da kein Lagerrisiko, großes Sortiment und geringer Kapitalbedarf
  • 2015: Das Geschäftsmodell droht zu floppen: viele Pakete, mangelnde Lieferqualität, fehlende Sortimentshoheit, geringe Margen, kein Zugang zu Marken, mangelnde Sortimentsexpertise
  • 2016: Digitaler Fachhändler mit Umsatz > 70% über das eigene Lager, einem spezialisierten Vertriebsteam (bestehend v.a. aus vielen gut ausgebildeten Ex-Würth- und Berner-Mitarbeitern), eigenes Produktdatenteam, erster stationärer Shop in Berlin

Die enge Kooperation mit Herstellern ist ein Erfolgskriterium für Contorion. Einige der engsten Kooperationspartner haben daher sogar schon sogenannte “Hot Desks” in den Büroräumen der Berliner, an dem sie mehrere Tage im Monat verbringen. Dazu kommt, dass Contorion einfach verstanden hat, wie auf Daten basierendes, automatisiertes Cross-Channel Marketing funktioniert. Der dritte Faktor für das starke Wachstum Contorions ist der systematische Branchenfokus, den das Unternehmen mittlerweile hat. Zudem wurden dafür extra Experten aus den jeweiligen Gewerken eingestellt und stark in Produktschulungen investiert.

Doch reicht das, um digitaler Fachhändler zu sein? Das wird man erst noch sehen müssen. Contorion hat sich aber in den letzten Jahren als sehr wandlungsfähig gezeigt. Und eine Menge Hersteller, die ich kenne und die noch nicht mit Contorion arbeiten, wollen dies demnächst unbedingt tun.

Paneldiskussion: Eigenmarken, Technologie und Ressourcen

In der abschließenden Panel-Diskussion mit den drei genannten Unternehmen, Alexander Shashin von OroCommerce und Stefan Grimm, Gründer und Geschäftsführer von Restposten.de sowie eTribes-Partner, konnten wir zu einigen Themen noch einmal etwas nachbohren. Stefan Grimm liegt dabei die Vertikalisierung besonders am Herzen. Also Hersteller, die entweder direkt an die Kunden verkaufen, oder Händler, die Eigenmarken kreieren. Sowohl Zoro als auch Contorion haben damit bereits angefangen: Zoro Selection und Stier sind die jeweiligen Marken, zu denen sich die Händler Warenkörbe mit deutlich höheren Roherträgen als im Herstellermarken-Geschäft erhoffen. Bei WUCATO ist das Thema Eigenmarken aufgrund des frühen Stadiums noch nicht auf dem Radar. Grundsätzlich ausschließen wollte es Johannes Keller am Ende dann aber doch nicht.

Die Diskussion um Technologie war ebenso spannend. Alexander Shashin, Country Manager von OroCommerce und Sponsor der Panel-Diskussion, glaubt, dass B2B so speziell ist, dass es zukünftig auch spezialisierte Shop-Systeme braucht, die die Anforderungen des Kunden – hoffentlich deckungsgleich mit denen des Shopbetreibers – erfüllen können. Er hat mit OroCommerce daher das erste reine B2B-Open-Source-Shopsystem nach Europa gebracht. Oro Inc. hat seinen Sitz in Kalifornien, hinter dem Unternehmen stehen die Gründer des Shopsystems Magento. Contorion setzt derweil auf Spryker, wie Contorion ebenfalls ein Startup aus dem Hause Project A. Technologie und Technologiebeherrschung sind für Contorion Teil der Unternehmens-DNA. Zoro setzt derweil auf Magento als Klassiker. Grundsätzlich scheint man bei Zoro etwas leidenschaftsloser zu sein, was die Systemauswahl angeht. WUCATO ist in die SAP- und Intershop-Systemwelt der Würth-Gruppe eingebettet. Auf der grünen Wiese hätte man sich jedoch wohl für ein anderes System entschieden, anstatt die Legacy-IT des Konzerns zu verwenden.

Was die Ressourcen in den jeweiligen Unternehmen und die Einstellung dazu angeht, scheiden sich die Geister. Während bei Contorion die Infrastruktur mit über 100 Mitarbeitern, davon ca. 45 im IT-Bereich, sicher auf einen größeren Umsatz als mittlere zweistellige Millionenbeträge ausgerichtet ist, sieht man bei Zoro die Sache etwas anders. Das IT- und Digitalmarketingteam Zoros ist deutlich kleiner. WUCATO greift im Entwicklungsbereich ausschließlich auf externe Ressourcen zu, sowohl Würth-interne als auch externe Dienstleister.

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