Tim Böker: “Der Online Shop nimmt die persönliche Kundenbeziehung nicht weg.”

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Köln, 05. Dezember 2017. “Normfest” ist vielen im B2B E-Commerce Beteiligten mittlerweile ein guter Begriff, da das Tochterunternehmen der Würth-Gruppe einige Preise für seinen Onlineshop abgeräumt hat – und das trotz überschaubarem Budget. Daran sind Tim Böker und sein Team von Kommerz nicht ganz unschuld. Was hinter der Personalisierung im B2B E-Commerce steckt und warum B2B nicht gleich B2C ist hat mir Tim sehr spontan (danke, Tim!) im Rahmen des Digital Confession Drive bei der Be.Inside 2017 verraten (wobei es in diesem Fall eher der Digital Confession Drive Park war).

UX und UI im B2B E-Commerce: Tim Böker von Kommerz im warenausgang.com Interview

Den Anfang des Spontaninterviews habe ich transkribiert, den Rest kann man sich entspannt als Podcast anhören oder auf YouTube anschauen. Wir sprechen über Normfest, Integration von E-Commerce im Außendienst, Personalisierung und den Aufbau von Digitalunits im Unternehmen.

Lennart: Ihr seid viel unterwegs im Front-End Bereich, ihr seid viel bei B2B Kunden unterwegs. Was ist deine allgemeine Einschätzung, wo entwickelt sich B2B E-Commerce gerade hin?

Tim: Es kommt Bewegung in den B2B Markt. Die Relevanz der Digitalisierung im B2C hat jeder verstanden und auch im B2B knallt es langsam. Die ersten großen Player kommen in die Märkte. Grainger beispielsweise, oder Hoffmann, die Contorion kaufen, geben richtig Gas. Es passiert was im Markt. Der E-Commerce, der jenseits vom Procurement und den klassischen digitalen Handelsprozessen stattfindet, professionalisiert sich. Extreme Dynamik, extrem viel los.

Lennart: Unter euren Projekten gibt es preisgekrönte Beispiele. Eines davon ist das Unternehmen Normfest, eine Tochter der Würth-Gruppe. Was macht denn Normfest heute anders als andere, dass die solche Preise abräumen?

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Tim: Normfest hat Digitalisierung ein Stück weit in seiner DNA und in seiner Kultur verankert. Das kommt aus der Geschäftsführung, die sehen eine entsprechende Relevanz.  Die haben das Thema verstanden, die haben die Relevanz verstanden und die haben auch verstanden, was das für ihr Geschäftsmodell bedeuten kann. Die haben das Wort Disruption dabei im Hinterkopf und verschließen sich dem nicht, sondern gehen dem proaktiv entgegen und versuchen, mit einem Konzept darauf zu antworten. Der Onlineshop ist ein Teil davon, wie darauf geantwortet wird, indem er vor allen Dingen das bestehende Geschäftsmodell nicht attackiert, sondern adaptiert und ergänzt.

Normfest ist ein klassisches Unternehmen, das über Außendienst funktioniert, europaweit agiert, mit über 30.000 Kunden. Die Themen Digitalisierung und der Onlineshop werden von einem Außendienstmitarbeiter durchaus im ersten Moment als Wettbewerber wahrgenommen. Wir haben viel daran gearbeitet, dass das nicht so ist und der Vertrieb diesen Onlineshop für sich nutzt und als Unterstützung für sich wahrnimmt, nicht einfach als: Da ist ein digitaler Kanal, der nimmt mir Umsätze weg.

Lennart: Als ersten Schritt gibt es den bestehenden Außendienstvertrieb, der hat in der Regel einen dicken gedruckten Katalog dabei. Dann ergänze ich den gedruckten Katalog sozusagen um den Onlinekatalog mit Bestellfunktion. Aber was muss ich denn dann tun, damit ich das wirklich ins Unternehmen bekomme und meine bestehende Vertriebsmannschaft auch davon überzeugt ist, dass es eine gute Idee ist? Wie kriege das hin?

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Tim: Die Idee, die wir bei Normfest entwickelt haben, ist das Konzept Personalisierung. Das Konzept ist jetzt schon gut anderthalb Jahre alt. Die Kernidee ist: Der Onlineshop wird ergänzendes Werkzeug für den Außendienstmitarbeiter. Wir haben auf einer Außendiensttagung mit allen Vertrieblern ein Fotoshooting gemacht. Alle Mitarbeiter wurden da durch die Fotobox durchgeschoben und fünf Ansichten von dem Mitarbeiter geschossen.

Dann haben wir ein Konzept erarbeitet, wie der Mitarbeiter den Kunden im Onlineshop begleitet. Ich kann ja einem Kunden, wenn er sich einloggt, einen Außendienstmitarbeiter ganz klar zuordnen. Der Außendienstmitarbeiter begrüßt dann den Kunden ganz persönlichen in dem Konto. Der duzt ihn, der siezt ihn, je nachdem was für ein Verhältnis zueinander haben.

Die Tatsache, dass Außendienstmitarbeiter selbst mit ihrem Gesicht im Onlineshop stattfinden, hat zu einer unfassbaren Akzeptanz geführt. Das hat Normfest den Mitarbeitern präsentiert und ihnen gezeigt, wie die Außendienstmitarbeiter das als Werkzeug für sich benutzen. Sie können beispielsweise im Kontobereich dem Kunden Empfehlungen machen. Sie können mit ihren Kunden viel stärker vernetzt sein, viel intensiver in Kontakt stehen, als mit ihrem regelmäßigen Besuch, der alle paar Wochen stattfindet. Sie haben einen viel direkteren Draht.

Lennart: Wenn ich das mal strategisch einordnen würde, wäre das ihm im Kerngeschäft die Verteidigung des bestehenden Geschäfts dadurch, dass ich einen zusätzlichen Kanal biete und den möglichst stark personalisiere. Das ist ja genau das, wovon heute so ein klassischer Außendienstvertrieb lebt: Von der persönlichen Beziehung.
Wenn ich das richtig verstehe, der Nukleus eure Idee ist zu sagen, diese persönliche Beziehung müssen wir ja auch irgendwie digital transportieren können. Ist das der ausschlaggebende Punkt?

Tim: Die Chance der Digitalisierung ist einfach die, dass du Bestehendes adaptieren und sogar noch intensivieren kannst. Diese persönliche Kundenbeziehung hat der Außendienstmitarbeiter über Jahre aufgebaut. Das nimmt auch der Online Shop nicht einfach so weg. Natürlich macht es auch Prozesse effizienter. Das führt dazu, dass Dinge schneller passieren können und gibt Außendienstmitarbeitern Werkzeuge an die Hand, die sie bisher nicht haben.

Zum Beispiel Produktinszenierung: Wenn sie mit einem Onlineshop mit dem Endkunden interagieren, dann können sie das nicht nur mit dem Katalog, mit dem sie sonst rumlaufen. Sie haben heute ein digitales Werkzeug, das viel mehr kann und das auch noch einmal ihre Persönlichkeit in den Vordergrund hebt.

17m05s

 

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Ein Kommentar

  1. Hm das klingt nicht sehr trittsicher. Ich denke ein Unternehmen muss selber seinen strategischen Weg suchen. Dienstleister sind halt Dienstleister und leisten Dienst gegen honorige Bezahlung. Soweit so gut.
    Als stationärer Händler bin ich an den Themen interessiert. Mir scheint nur, dass hier gern im Kreis geredet wird. Im Podcast fällt es schwer Beispiele zu finden. Es wird Grainger als Vorbild zitiert. Aber halt vor kurzem war Grainger mit Zoro (https://warenausgang.com/dirk-kiele-dunsche-zoro-grainger-ist-in-bezug-auf-digitalisierung-im-technischen-handel-sehr-weit/), eine Tochter von Grainger, noch der letzte Schrei. Seit dem ist es sehr still geworden. Wer mag kann auf kununu lesen was da so los ist. Dann Zamro. Mal schauen was aus denen wird. Und dann das ewig wiederholte Contorion. Welche Bekanntheit hat Contorion? Ja sicher bei uns den Fachhändlern und Branchenbegleitern; bei den Handwerkern dagegen Fehlanzeige. Macht mal eine Erhebung dazu. Auch hört man aus der Gerüchteküche am Markt auch weniger Wohlklingendes zwischen Contorion und Hoffmann.
    Mir scheint viel mehr, wir sind alle nur Halbwissende.

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