Stuttgart, 12. Februar 2018. Frank Schmidt ist mit Onventis schon ein paar Jährchen im E-Procurement unterwegs und kennt sich gut aus, wenn es um die elektronische Verknüpfung der Sell- und Buy-Side geht. Im warenausgang.com Interview fachsimpeln wir pointiert über die Entwicklung des E-Procurement, der zunehmenden Bedeutung der Prozessoptimierung im Mittelstand und wie die digitale Beschaffung in Zukunft aussehen kann.
Lesezeit: 3 Minuten und 30 Sekunden
Onventis gibt es seit 2000. “Damals war das E-Commerce für Arme,” so Frank. Was er meint ist, dass es eine Beschaffungssoftware im Mietverhältnis war, Onventis war ein klassischer Application Service Provider. Die Software lief damals bei IBM im Rechenzentrum in Stuttgart. Onventis konzipiert, entwickelt und betreibt seine Beschaffungssoftware mit 60 Mitarbeitern heute End-to-End selbst. 7,5 Mrd. EUR Handelsvolumen laufen über die Plattform (Warenkörbe, Ausschreibungen, etc.), getrieben von 330.000 Usern. Wie immer bei Plattformen hat Onventis entsprechend zwei Kundengruppen auf der Plattform: Die Buy- und die Sell-Side. Zukünftig, da ist sich Frank Schmidt sicher, gibt es zwischen diesen Seiten immer weniger Unterschiede, daher trennt Onventis hier intern schon heute nicht mehr.
Frank Schmidt über…
…die Digitalisierung in der Beschaffung:
Logischerweise wird es “digitaler”. Die Beschaffungsorganisationen arbeiten schon seit 20 oder 25 Jahren an der “Elektrisierung” der Beschaffung. Die Einkaufsorganisationen haben sich schon längere Zeit immer schlanker aufgestellt. Gerade im C-Teile-Bereich ist die Automatisierung aus Frank’s Sicht in hohem Maße digital. Die Paradigmen des B2C E-Commerce halten hier heute Einzug. Dafür haben Amazon, Mercateo & Co. viel getan. Das Beschaffungswesen ändert sich in dem Zug. Je mehr operative Beschaffung digitalisiert werden kann, desto eher können strategische Beschaffungsthemen stärker fokussiert werden.
…wer an der Digitalisierung in der Beschaffung “zieht”:
Aus Franks Sicht ist es eine Wechselwirkung zwischen den Bedarfsträgern und den Anbietern. Einerseits kommt auf der Einkaufsseite immer mehr die “digitale Generation” ins Spiel, andererseits bieten die Anbieter (z.B. Shopbetreiber) heute natürlich eine viel bessere User Experience als früher. Die eigentlichen Treiber sind jedoch die Menschen und Philosophien hinter den Prozessen.
Ich trenne im Interview zwischen E-Procurement und E-Commerce und mache das an der Art des “Frontends” fest: Shop, App = E-Commerce, E-Procurement = Automatisierung & Prozess. Aus Franks Sicht keine sinnvolle Trennung. Sofern die Parameter in einem Beschaffungsprozess bestimmbar sind, kann sie automatisiert werden. Viel zu viele machen sich noch Gedanken um Frontend-Funktionalität. Frank glaubt an die hochgradige Automatisierung, die Frontends einigermaßen irrelevant werden lässt.
“Die B2C Paradigmen behalten auch im B2B Richtigkeit. Dafür gewinnt man keinen Nobelpreis.”
Frank Schmidt, CEO Onventis
Die Preise sind maximal transparent, die Produktinformationen sind kein Unterscheidungsmerkmal mehr und die Logistik/Verfügbarkeit/Versorgungssicherheit ist auch eher ein Hygienekriterum. Die Prozesse und Prozessintegration ist für Frank das Hauptunterscheidungskriterium.
…die Bedeutung von Automatisierter Beschaffung für unterschiedliche Marktteilnehmer:
Onventis spricht als Kunden eher große, internationale Mittelständler an. Daher fühlt sich Frank nicht zum Experten berufen, was z.B. die Digitalisierung der Beschaffung im Handwerk angeht. Eigentlich schon ein guter Indikator dafür, dass das Thema bei kleineren Betrieben noch nicht in der breiten Masse angekommen ist. Andererseits dürfte auch das Handwerk die Ratio hinter einem schlanken, digitalen Beschaffungsprozess erkennen.
…den Handel und seine Rolle in einer digitalen Beschaffungswelt:
Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Frank nennt einen kleinen technischen Händler, der sich mit ca. 8 Mio. EUR Umsatz auf eine Nische im Ausgabeautomatenprozess fokussiert hat und dort sehr erfolgreich unterwegs ist. Wenn ein Händler digitale Passion mitbringt, ist das wichtiger als die Größe. Dazu kommt:
“Die Händler, die sich nicht über die Digitalisierung ihrer Vertriebsprozesse Gedanken machen, sondern über die Digitalisierung der Beschaffungsprozesse Ihrer Kunden, sind per se erfolgreicher.”
Frank Schmidt, CEO Onventis
…E-Procurement Integrationsprojekte:
Ich bin der Meinung, dass E-Procurement-Projekte oft mehr Blut, Schweiß & Tränen erfordern, als eigentlich notwendig. Das führt oft dazu, dass der Außendienst, der diese Anbindungen seinen Kunden eigentlich verkaufen sollte, derartigen Projekten oft sehr skeptisch gegenübersteht. Dazu kommt, dass Menschen, die bisher Produkte und produktbasierte Lösungen verkauft haben, sich in der Regel schlecht zum Vertrieb von Beschaffungslösungen eignen.
Bei Amazon Business kann hingegen einen Punchout-Anbindung im Self-Service durchgeführt werden. Frank kennt den Traum vom “Plug & Play”, hier steckt aber der Teufel im Detail. Vertrieblich gesehen ist es aus Franks Sicht auch schwierig, einerseits ein hervorragender Anwendungsberater zu sein, andererseits ein digitaler Beschaffungexperte. Trotzdem ist er sich sicher, dass es in Zukunft den Vertrieblern auch gelingen wird, diese Bedarfe zumindest zu identifizieren.
Händler sollten sich Gedanken machen, welche Fertigungstiefe man in der digitalen Beschaffung benötigt. Franks nicht ganz uneigennützige Empfehlung: Händler sollten sich auf Plattformen wie SAP Ariba, Coupa (oder eben Onventis) konzentrieren und sich lieber um Beratung & Service für den Kunden in ihren Kernkompetenzen kümmern. Dort liegt deutlich mehr Wertschöpfung als im Aufbau eigener technischer E-Procurement-Kompetenz.
Ein Kommentar