Andy Huber ist der Leiter des Geschäftskundenvertriebs bei BRACK.CH in der Schweiz. Er ist in den letzten 10 Jahren mit dem Unternehmen mitgewachsen und sorgt heute auch ein Stück weit dafür, dass der Schweizer B2B E-Commerce größer wird und wächst. Ich habe mich mit ihm über den Schweizer B2B E-Commerce und BRACK unterhalten.
BRACK.CH
Der Schweizer Online-Pionier BRACK wurde von Inhaber Roland Brack gegründet und bildet mit fünf weiteren Unternehmen die Competec-Gruppe. Über 700 Mitarbeiter sind dort beschäftigt, der Umsatz belief sich 2018 auf 646 Millionen Euro, auch 2018 verbuchte der Online-Händler also weiteres Wachstum. Der Weg in die Top-3 der reinen Schweizer Online-Händler startete für Roland Brack auf dem Dachstuhl des Elternhauses. Dort fing er vor 25 Jahren an, PCs zusammenzuschrauben und an Bekannte und Verwandte zu verkaufen. Heute zählen Privat- und Geschäftskunden zu den Kunden des größten konzernunabhängigen Händlers der Schweiz.
In einer ersten Version des Artikels war von 646 Mio. CHF Umsatz von BRACK.CH die Rede. Das ist natürlich Quatsch. Wer es genauer wissen will, der wird bei Thomas Lang auf Carpathia fündig: Competec Gruppe mit Brack und Alltron wächst weiter stark auf CHF 725 Mio
Geschäftsmodell, Logistik und Sortiment
BRACK.CH ist kein Marktplatz, sondern ein „klassischer“ E-Commerce Pure Player. Am Anfang lag der Sortimentsfokus auf PC-Komponenten, mittlerweile liegen über 200.000 Artikel im eigenen Lager, das nach wie vor die Handschrift „IT-Bedarf“ trägt: PCs, Hardware, Software, aber auch Consumer Electronics. „Alles, was man im Büro so braucht,“ ergänzt Andy Huber. Das starke Wachstum des Sortiments und der Umsätze BRACk.CHs führte dazu, dass 2012 ein neues Logistikzentrum in Willisau eröffnet wurde – bis heute ist es eines der modernsten E-Commerce-Lager der Schweiz. Anfang April 2019 bestätigte das Schweizer Bundesgericht die Erlaubnis der Logistikerweiterung um weitere 20.000 qm Logistik-Nutzfläche.
B2B-Vertrieb
Zu Beginn war BRACK.CH reiner B2C-Anbieter, die ersten Unternehmenskunden folgten jedoch schnell. Auch Wiederverkäufer nutzten BRACK.CH schnell als Beschaffungsplattform – Preis, Service und Verfügbarkeit waren früh sehr kompetitiv. Heute beliefert das BRACK.CH-Schwesterunternehmen Alltron die Wiederverkäufer. Bis vor 10 Jahren hat BRACK.CH die B2B-Kunden noch analog der B2C-Kunden betreut. Dann übernahm Andy Huber die Aufgabe, den Geschäftskundenvertrieb aufzubauen. Mittlerweile bearbeiten 24 Mitarbeiter die Großkunden BRACK.CHs. Als Großkunde qualifizieren sich Unternehmen, die mindestens 50 Mitarbeiter beschäftigen. Klare Potenzialorientierung im B2B-Vertrieb also. Der ideale BRACK.CH-B2B-Kunde ist ein Unternehmen, das eine eigene IT-Abteilung besitzt, die selbst Entscheidungen über den Einkauf von Soft- und Hardware treffen kann. Der Vertrieb ist nach Gebieten und Kundengrößen (Basis ist die Mitarbeiteranzahl) aufgeteilt. Die BRACK.CH-Plattform ist dabei der Hauptkundenkontaktpunkt, 90% der Kunden bestellen dort. Der persönliche Kontakt kommt jedoch auch nicht zu kurz und ist noch immer relevant. „Im Gegensatz zu früher aber nicht mehr in der gleichen Häufigkeit, wo man beim Kunden vor Ort sein musste,“ merkt Andy Huber, selbst Kind eines klassischen Außendienstmitarbeiters, an.
Differenzierung durch Service
Differenzieren kann sich BRACK.CH nicht über das Produkt: „Den Rechner, den ich auf dem Tisch habe, kriegt man überall, nicht nur bei uns, logischerweise,“ erklärt Andy Huber, wenn er über die USPs von BRACK.CH für B2B-Kunden spricht. Alle „Hygienekriterien“, die sich nach Andys Ansicht die letzten 20 Jahre nicht verändert haben, muss BRACK.CH seinen B2B-Kunden erfüllen: Erreichbarkeit der Kundenbetreuer, Kundenkenntnis des Vertriebs, schnelle und fehlerfreie Lieferung, Produktberatung. Die „Extrameile“ geht BRACK.CH dort, wo die klassische Produktberatung aufhört: z.B. wenn es darum geht, Kunden Einsparpotenziale in ihrem gesamten Beschaffungsprozess aufzuzeigen oder das Fulfillment exzellent zu beherrschen. Dazu muss Andys Team die Prozesse der Kunden kennen.
Im B2B-Bereich spielt BRACK.CH zudem die immer stärker werdende Vernetzung der IT-Hardware in die Karten: „Heute, wenn man sieht, was überall in den Büros rumsteht, ist irgendwie alles vernetzt.“ Otto Normalnutzer geht in der Regel davon aus, dass der „IT-Mensch“ in der Firma schon weiß, wie alles funktioniert – ist ja schließlich irgendwie auch IT. Doch in den immer komplexer werdenden Anforderungen zwischen nicht immer komplementären Systemen benötigen auch IT-Spezialisten Support von BRACK.CH. Diese haben wiederum über 120 Einkäufer, die auf ihre Themengebiete spezialisiert sind. Durch die Vernetzung mit den Kunden werden gemeinsam Lösungen gefunden. Für IT-Abteilungen und interne IT-Dienstleister entwickelt sich BRACK.CH so zu einem „klassischen Single Point of Contact,“ wie es Andy Huber umschreibt. Die Anforderungen aus Geschäftsleitungen und Unternehmensabteilungen an die IT landen immer öfter auf BRACKschen Schreibtischen. Gerade hier, merkt Andy Huber an, zählt der persönliche Kontakt nach wie vor: „Egal, um was es geht, ich melde mich beim Herrn XY bei uns in der Firma und der schaut dann für mich.“ Diese Kundennähe unterscheidet BRACK.CH in der Eigenwahrnehmung von Wettbewerbern.
Die Rollenverteilung von Vertrieb und Marketing
Die Rolle des klassischen Verkäufers wird auch bei BRACK.CH immer mehr zu der des Beraters. Die Bedarfsabklärung ist weniger ein Verkaufsgespräch als eine strategische Sitzung, die man mit dem Kunden abhält, um Rahmenbedingungen zu stecken. Das Tagesgeschäft im Vertrieb wird über Telefon, E-Mail oder Skype erledigt. Auch Kunden wollen effizienter werden und verbringen weniger Zeit mit den „Verkäufern“. Zur Abrundung der persönlichen Kundenbindung setzt BRACK.CH auf Hausmessen, gemeinsame Events mit Herstellern und gemeinsame Besuche von Eishockey-Spielen. Andy Huber ist sich sicher: „Auch wenn vieles digitalisiert wird, der persönliche Kontakt wird immer noch vorhanden sein, weil am Ende des Tages der Mensch entscheiden wird, wo er strategisch mit welchem Partner zusammenarbeiten wird.“ Der Transaktionsprozess verlagert sich von analog nach digital, doch die persönliche Bindung hat eine große Bedeutung für beide Seiten: „Das ist für uns wirklich so eine Waage, die funktionieren muss zwischen möglichst effizient arbeiten in der Beschaffung oder im Verkauf, aber auf der anderen Seite den persönlichen Kontakt zu pflegen, aber nicht zu überstrapazieren. Das ist sehr wichtig.“
Marketing und Vertrieb sind bei BRACK.CH eng verzahnt: „Wenn ich meine Führungsmannschaft bei mir habe, ist das Marketing immer vertreten,“ erklärt Andy Huber. Die Kundenerwartung im B2B hat sich verändert. Waren ganz früher Print oder später der E-Mail Newsletter relevante Informationskanäle, erwarten Kunden heute z.B. auf Plattformen wie XING und LinkedIn Informationen beziehen zu können. Die Anforderung pro Jahr mehr Umsatz pro Kopf zu machen, wäre ohne die enge Verzahnung von Vertrieb und Marketing nicht haltbar. Marketing ist entscheidend für die Skalierung des BRACK.CH B2B-Vertriebes. Die Basis für erfolgreiches B2B-Marketing bei BRACK.CH sind Daten und deren permanente Analyse – z.B. der Transaktionsdaten. Zudem muss immer klar sein, welcher Aufwand in einen Kunden gesteckt wird und wie der Profit auf Kundenbasis sich entwickelt. Gesteuert werden Marketing und Vertrieb über CRM-Prozesse, die bei den Mitarbeitern sehr gut ankommen, da sie fokussierte Vertriebsarbeit erst ermöglichen.
BRACK als Tech-Unternehmen
BRACK.CH ist heute jedoch nicht nur Händler mit hoher Einkaufskompetenz, Logistikunternehmen, Marketing- und Vertriebs-Company, sondern befindet sich auch auf dem Weg, zum Tech-Unternehmen zu werden. Dabei ist es in der Schweiz im Vergleich zu anderen Märkten noch ein wenig schwieriger, gute Entwickler zu finden, um die Ressourcen und Kompetenzen inhouse aufzubauen. „Nichtsdestotrotz ist klar, dass man eine Tech-Company werden muss, damit man all diese Themen, in denen man heute einfach fit sein muss, auch auf den Boden bringen kann,“ fasst Andy Huber die Unausweichlichkeit der Aufgabe zusammen. Die „IT-Abteilung“ bei BRACK ist kein interner Dienstleister, der nur ein wenig Soft- und Hardware zur Verfügung stellt. Alle eigenen Entwickler und das gesamte E-Commerce-Team ist Teil davon.
Ohne vernünftige Anwendungen und ohne vernünftiges Datenmanagement gerät man schnell ins Hintertreffen. Andy Huber merkt an: „Wenn man da nicht mithalten kann, ist es eine Frage der Zeit bis man eigentlich von der Klippe springen muss.“ Er ist überzeugt davon, dass B2B-Unternehmen, die nicht in ihre IT, ihre E-Commerce-Ökosysteme, in ihre Business Intelligence oder CRM-Systeme investieren, es schwer haben werden. Kurzfristig etwas zu ändern, selbst mit großen finanziellen Mitteln, ist schwierig: „Das kriegt man nicht in sechs Monaten hin. Es ist dann ganz schwer den Abstand aufzuholen.“
Die Entwicklung des B2B E-Commerce in der Schweiz
Andy Huber sieht die Gefahr, dass in der Schweiz der gleiche Wandel im B2B-Handel passiert, wie schon im B2C-Handel im Gange ist, als extrem realistisch an. Gegen Angriffe von außen genießt der Markt trotz kleinerer Angebotsvielfalt noch einen gewissen Grenzschutz. Aus diesem Grund können sich Schweizer Anbieter noch gut behaupten. Plattformen oder Marktplätze, die im B2B relevant sind, gibt es nicht viele. Der fehlende Wettbewerbsdruck führt auch dazu, dass sich B2B E-Commerce in der Schweiz langsamer entwickelt, als er es z.B. in Deutschland bereits getan hat. Schweizer B2B-Unternehmen haben in der Eigenwahrnehmung geringeren Wandlungs- und Investitionsdruck zugunsten der neuen Kanäle – und schließlich auch der Kunden. Der Bedarf von B2B-Kunden an E-Business-Lösungen ist hingegen gegeben.
Der Markt scheint klassisch unterversorgt zu sein: „Man sieht auch den Bedarf der Kunden. Ich kann wirklich sagen, in den letzten 24 bis 36 Monaten ist der Bedarf, Kunden über gewisse Schnittstellen oder über gewisse Dienstleister anzubinden, massiv angestiegen.“ Auch in der Schweiz verändern sich die B2B-Einkaufsprozesse. Nicht nur bei Großkonzernen, sondern auch im Mittelstand werden Einkaufprozess optimiert, Single-Source-Strategien für C-Teile werden durch die Digitalisierung begünstigt. „Diese Tendenz spüren wir und profitieren natürlich auch davon. Wir verkaufen ja nicht nur IT, sondern auch Betriebsmittel, über Büromaterial bis hin zu Lebensmittel für die Kaffeeecke usw.“
Amazons Einstieg in die Schweiz lässt nach wie vor auf sich warten, noch wird die Schweiz aus anderen europäischen Ländern (FR, IT, DE) beliefert. 2018 sorgte eine Vereinbarung mit der Schweizer Post über die Auslieferung für Aufsehen, doch die Branchen- und Marktexperten waren weniger schockiert. Mittlerweile erzielt Amazon ca. 700 Millionen Euro Umsatz mit Schweizer Kunden. Die Lieferungen von Alibaba und Wish steigen massiv an, die beiden fernöstlichen Plattformen erzielen gute Wachstumsraten. Digitec Galaxus, der zur Migros gehörende B2C-Marktplatz, hat 2018 die Umsatzmilliarde knapp verpasst, kann aber als führender Marktplatz in der Schweiz bezeichnet werden. Siroop ist 2015 als 100-Millionen-Franken-Marktplatzalternative von Coop und Swisscom gestartet worden, aber mittlerweile wieder eingestellt.
Der Sprung von Deutschland in die Schweiz ist nicht so einfach, wie man ihn sich auf den ersten Blick vorstellen mag. Nicht nur der Zoll macht deutschen Lieferanten zu schaffen, die Dreisprachigkeit der Schweiz erschwert den Marktzugang und die Akzeptanz, obwohl immerhin ca. 70% der Schweiz deutschsprachig sind.
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