Durchblick Dienstag #5: Engelbert Strauss und neue Zahlen zum B2B E-Commerce

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Es ist wieder Durchblick-Dienstag! Zwei Fragen rund um das Thema B2B Digital Commerce haben mich erreicht und ich gebe gerne meine 5 Cent dazu. Heute mit “Engelbert Strauss sagt NO! zu Amazon und Co.” und den neuen Zahlen des IFH zum B2B Digital Commerce Marktvolumen in Deutschland.

Engelbert Strauss vs. Amazon

Engelbert Strauss lehnt Plattformen ab – was spricht aus deiner Meinung dafür, was dagegen? Ist es mit einer starken Brand einfacher, nicht auf Amazon und Co. zu gehen? (Frage von Patrick)

Die Frage bezieht sich wohl auf einen Artikel in der Zeitung “Die Welt”: “Engelbert Strauss lehnt Zusammenarbeit mit Amazon ab in dem Hennig Strauss, Nachfolger und Marketing-Chef von Engelbert Strauss, sich klar gegen Amazon und Co. positioniert.

Ich habe den Artikel auch gelesen, meine erste Reaktion war ein “Ach, wie typisch.” In der Vergangenheit haben viele Hersteller und Marken Amazon als Plattform, egal ob im Vendoren- (direkte Belieferung Amazons als Verkäufer) oder im Seller- (bzw. Marketplace-) Modell medienwirksam kritisiert und verdammt, wie im letzten Jahr z.B. Birkenstock. Viele dieser Marken haben jedoch relativ bald gemerkt, dass selbst die öffentliche Abkehr nicht dazu führt, dass das Thema “Marketplace” zuende diskutiert und ad acta gelegt ist.

Was spricht dagegen, dass Engelbert Strauss nicht auf Plattformen wie Amazon (im Bericht wird u.a. auch Zalando genannt) vertreten sein will? Z.B. der Kundenzugang bei generischen Suchbegriffen. Leicht nachzuvollziehen ist, dass Amazon mittlerweile über 50% der produktorientierten Suchanfragen online auf sich vereint. Die “Customer Journey” fängt in über 50% der Fälle mit der Suche also nicht mehr bei Google an, sondern direkt auf Amazon. Diese Zahlen sind nicht nach B2B und B2C differenziert, man kann aber von starker B2C-Lastigkeit der Erhebung ausgehen. Dazu passt jedoch, dass ES mit seinen Produkten sehr nahe an B2C ist, man könnte ja fast von “Fashion” sprechen oder, wie manche es auch kennen, vom “Prada der Dorfkinder” oder “Redneck Camouflage”.

Wenn also ES nicht auf Amazon vertreten ist, dann sind sie heute auch für mindestens 50% der generischen Keywords (also Suchbegriffe ohne Marken) wie z.B. “Arbeitsschutzhose” oder “Arbeitshose” erstmal raus aus der Suche. Oder eben, wie man auf Amazon sehen kann, über Angebote von Marketplace-Händlern wieder mit drin, dafür aber unkontrolliert.

Ein Risiko dabei ist, dass Engelbert Strauss die Chance, Neukunden in generischen Suchvorgängen von den Produkten zu überzeugen, links liegen lässt. Ein Folgerisiko daraus ist, dass sich auf Amazon auch für Arbeitskleidungs- und Arbeitsschutzprodukte andere Marken, die heute vielleicht noch gänzlich unbekannt sind im Markt, etablieren und aufbauen. Ein weiteres Risiko ist natürlich, dass Marken- und Produktinhalte auf Amazon “unkontrolliert” von Händlern und Wiederverkäufern platziert werden. Das geschieht heute schon, wie man unschwer auf Amazon erkennen kann.

Zudem mag es bestehende Fans und Kunden der Marke geben, die sich erwünschen und erhoffen, ihre Lieblingsprodukte auch auf Plattformen wie Amazon oder Zalando kaufen zu können. Anders als andere Hersteller und Marken hat Engelbert Strauss eine sehr hohe Kontrolle über seine Vertriebswege, dank Direktgeschäft mit B2B- und B2C-Endkunden. Diesen Luxus haben sehr wenige Unternehmen, die meisten haben über die letzten Jahrzehnte “Partnerschaften” mit dem Fachhandel aufgebaut, mit denen sie gut gewachsen sind, die sie in der Plattformökonomie aber insofern lähmen, dass umständliche Hybridstrategien für das digitale Handelsgeschäft entwickelt werden müssen. Engelbert Strauss könnte, sofern man es wollte, diesen Vorteil mannigfaltig ausnutzen, z.B. indem man selbst als Seller auf dem Amazon Marketplace verkauft und so die Kontrolle über die Preise behält bzw. Sonderkollektionen nur für Amazon entwickelt, die in keinem anderen Kanal vertrieben werden, um so dem Fachhandelskonflikt aus dem Weg zu gehen. Diese Wachstumsmöglichkeiten lässt das Unternehmen liegen.

Das ist auch einer der ersten Gründe, die dafür sprechen, dass Engelbert Strauss den Plattformen wie Amazon und Co. fern bleibt.

  1. Engelbert Strauss scheint erst mal satt zu sein und die zusätzlichen Wachstumsmöglichkeiten garnicht wahrnehmen zu wollen bzw. zu können. Das Unternehmen operiere am Limit, so die Aussage im “Die Welt” Artikel. Und in der Tat ist ES eine schöne Erfolgsgeschichte aus dem deutschen Mittelstand.
  2. Die Nachfolgegeneration hat es mit viel Marketingbudget geschafft, DIE Marke für Arbeitskleidung in Deutschland aufzubauen, innerhalb weniger Jahre. Die ganze Arbeitsschutz- und PSA-Branche kann sich bei Engelbert Strauss bedanken, da sie es waren, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Industrie, Handwerk und Handel den Blaumann abstreifen und “fashionable” Arbeitskleidung anziehen konnten. Modetrends und Kollektionen spielen heute eine viel größere Rolle in der Branche, als noch vor 10 Jahren, als Engelbert Strauss anfing, seine Bekanntheit mit neuen Designs, emotionalen Marketingkampagnen und großflächigem Sportsponsoring exponenziell zu steigern. Auch Kniffe wie Arbeitskleidungskollektionen für Kinder kam zuerst bei Engelbert Strauss auf den Markt, ein hervorragender First-Mover-Vorteil, der bis heute anzuhalten scheint. Die Marke hat sich, wie keine andere, eine “Fanbase” aufgebaut.

Insofern ist Engelbert Strauss heute vielleicht in einer Sonderrolle, wie sie es im Markt aktuell kein zweites Mal gibt. Wachstum am Limit, loyale Kunden und Wettbewerber, die selbst noch den großen Teil ihrer Zeit hinter dem analogen Mond verbringen und, das soll nicht zu unterschätzen sein, durch die Plattform-Abstinenz von Engelbert Strauss erst recht motiviert sind, selbst auch kein Geschäft mit den neuen digitalen Anbietern zu forcieren.

B2B E-Commerce-Zahlen 2018

Das Institut für Handelsforschung in Köln hat neue Zahlen zum B2B E-Commerce herausgebracht – was sagst du dazu? (Frage von Elena)

Die Frage bezieht sich hierauf: B2B E-Commerce auf der Überholspur

Erstmal muss man Dr. Kai Hudetz, Sabrina Mertens und dem ganzen Team des ECC Köln, dass an der Studie mitgewirkt hat, danken, dass sie die Mühe auf sich genommen haben, die Zahlen zu ermitteln. Ich habe dazu zwei grundsätzliche Meinungen:

Die Zahlen des IFH scheinen mir weitaus plausibler als alles andere, was über den deutschen B2B E-Commerce-Markt bislang publiziert wurde. Arthur D. Little hat 2017 für das Jahr 2019 prognostiziert, dass der B2B E-Business-Markt in Deutschland (also inkl. EDI-Anbindung etc.) ca. 46 Mrd. Euro Volumen aufweist. Das ECC geht davon aus, dass es 1,3 Billionen Euro sind. Man kann also sagen, einer meiner Lieblingssprüche auf Konferenzen, irgendwo zwischen 50 und 1.300 Milliarden Euro liegt die Wahrheit. Eine Abweichung von ca. 96%.

Allerdings sind die Zahlen, von wem auch immer sie kommen mögen, so groß, dass man ein hohes Abstraktionslevel braucht, um daraus Schlüsse ziehen zu können. Deutlich wichtiger als absolute Marktgrößen ist mir daher die Erkenntnis, dass z.B. der Handel über Marktplätze, Online Shops und Websites im B2B E-Commerce mit 15% pro Jahr wächst, der Gesamtmarkt immerhin mit 6%. Das sind größere Wachstumsraten als im B2C bei absolut größeren Märkten. Eine andere Ableitung, die jeder für sich daraus treffen kann, ist der Benchmark für digitales Umsatzwachstum. Wer nicht mit mindestens 15% online wächst, verliert Marktanteile, so zumindest die grobe Interpretation. Das wird vor allem dadurch verschärft, dass der größte Anteil des digitalen Wachstums das Resultat vonKanalverschiebungen (also Online-Shop- statt Faxbestellung) sein dürften.

Meine zweite Meinung dazu ist die, dass es natürlich ein schönes Gesprächsthema ist, über die Zahlen und Marktgrößen zu philosophieren. Im operativen Tagesgeschäft bringt einem das aber leider wenig bis nichts. Unternehmen und die E-Commerce-Verantwortlichen im B2B sollten sich eher darauf konzentrieren, E-Commerce-Strategien und -Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Es macht einfach keinen Sinn, sich über die Größe eines Marktes Gedanken zu machen, wenn man nicht absolut alles dafür tut, ihn mit aller Kraft zu bearbeiten.

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5 Kommentare

  1. Ich fand eine Zahl von ibusiness auf Grundlage der Arthur D. Little-Studie spannender. Dort ging man in einer Hochrechnung für 2020 von einem Wachstum des gesamten B2B-E-Commerce-Markts auf 1.071 Mrd. Euro aus (von 870 Mrd. Euro, die das IfH 2012 ermittelt hatte). Entsprechend Website/Marktplatz insgesamt von 136 Mrd. auf 362 Mrd. – hier liegt man auf einem Wert, der sich bei einer Projektion der IfH-Zahlen für 2018 in 2020 tatsächlich erreichen lässt. Der Umsatz in B2B-Onlineshops soll sich von 52 Mrd. Euro auf 138 Mrd. Euro erhöhen, und der eigentliche Shop-Umsatz mit Waren von 35 au 52 Mrd. Euro. Das stellt deutlich die anhaltende Bedeutung von Procurement und EDI heraus, zeigt aber auch (und da stimmen beide überein) die enorme Dynamik der echten E-Commerce-Umsätze. Vor allem aber ist es ein Beleg, dass E-Commerce – anders als häufig wahrgenommen – eben kein “B2C-Thema” ist, an dem sich der B2B orientieren muss. Wir werden – meine Prognose – hier im B2B in den kommenden Jahren eine hohe Innovationskraft sehen, die sich gerade aus den spezifischen Anforderungen in der “web-basierten Beschaffung” in Spezialbranchen ableitet.

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