Michael Haufler hat eine Vita, wie man sie im B2B Digitalgeschäft selten antrifft. Ausgebildet und mit der Arbeitswelt sozialisiert wurde er bei Lotter, einem technischen Großhändler in Ludwigsburg. 2009 machte er sich mit einem Softwareunternehmen selbstständig. Das Unternehmen, die scireum GmbH, hat 2017 wieder den “Deloitte Technology Fast 50 Award” erhalten, mit dem die Unternehmensberatung die 50 am schnellsten wachsenden Technologieunternehmen auszeichnet. Das Thema Digitalisierung im B2B-Handel, insbesondere im SHK, EGH, PVH und technischen Handel spielt Michael dabei gut in die Hände.
Michael Haufler über…
…Oxomi als Datendrehscheibe:
Der Gründer und Geschäftsführer der scireum GmbH aus dem schwäbischen Remshalden kennt sich aus mit Produktinformationsmanagement und E-Commerce-Lösungen. Oxomi heißt die SaaS-Plattform von scireum, auf der Hersteller und Händler kontrolliert Produktinformationen und digitale Kataloge austauschen können. Heute finden sich dort die Sortimente von über 1.300 Herstellern, darunter Größen wie Bosch, Kärcher oder Vaillant. Über 200 Händlerkunden (stellenweise mit mehreren Häusern) greifen die Kataloginformationen, Videos, Bilder, Langtexte und Produktmerkmale ab. Der Datenaustausch findet kontrolliert statt, Hersteller und Händler vernetzen sich auf Oxomi wie man sich auf LinkedIn vernetzt. So kontrollieren die Hersteller den Datenzugang.
Oxomi ist nicht nur ein Datenverteiler, die Daten können direkt über die Plattform genutzt und z.B. ins Frontend des Online-Shops, ins ERP oder in Anwendungen für den Innendienst integriert werden. Die Verwendung der Daten erfolgt auf der Plattform. Für die Hersteller und deren Marketingmanager ergibt sich so der Vorteil, dass sie ihre Produkte über eine zentrale Drehscheibe direkt an den Point of Sale bringen können. Die Händler können die Daten on-demand abgreifen und müssen sie nicht ins PIM laden, das in der Regel auch nicht für die riesigen Datenmengen eines Händlers ausgelegt ist.
“Händler wollen immer mehr Artikel in besserer Qualität zu gleichen Kosten doppelt so schnell.”
Michael Haufler, scireum GmbH
…Datenqualität und Verantwortung im Produktdatenmanagement:
Die Frage, ob denn nun Hersteller oder Händler für gute Produktdaten sorgen müssen, kann Michael auch nicht klar beantworten.Die Vorstellung einiger Händler, alle Daten in der besten Qualität im PIM zu haben hält aber für illusorisch, da extrem teuer und aufwändig. Selbst Amazon bekommt das Thema Produktdaten nach Michaels Ansicht nur sehr eingeschränkt in den Griff. Er sieht aufgrund seiner Erfahrung aus 15 Jahren eher ein “Zwiebelschalenmodell” als Lösungsansatz für Händler. Im Kern sind die 30.000 – 50.000 Produkte, die das Kernsortiments des Händlers darstellen. Im ERP-Sortiment finden sich dann 100.000 – 2.000.000 Artikel, die bereits vernummert sind. Außenherum fungieren Plattformen wie Oxomi, die 5 – 10 Millionen Artikeldaten vorhalten. Dazwischen kann zudem eine Schattenartikeldatenbank mit ca. 2 – 3 Millionen Artikel in gemischter Qualität geschaltet werden.
Michaels Empfehlung: Den Großteil der Daten virtuell in dafür geeigneten Systemen vorhalten. Alles immer ins PIM zu kippen ist für ihn nicht die Lösung. Zumal auch oft schlechte Daten im PIM landen, die dann dafür sorgen, dass viele der schlauen PIM-Prozesse, z.B. in der Katalogerstellung, nicht mehr so funktionieren wie erhofft.
…die Bedeutung von Stammdaten im B2B E-Commerce:
Aus technologischer Sicht brauchen Unternehmen Lösungen, die miteinander funktionieren. Veraltete Kern-Systeme, ohne XML und ohne Schnittstellen nach außen sind da zwar nicht die beste Basis, aber auch hier kann man Schnittstellen herumbauen und nach außen mit JAVA- und Webservice-Lösungen arbeiten. Unabhängig von der Architektur ist jedoch die wichtigste Erkenntnis, dass Stammdaten Chefsache sind. Vor allem in E-Commerce-Projekten, unabhängig von der Größe, tun schlechte Stammdaten besonders weh, oder wie Michael es ausdrückt:
“Im E-Commerce-Projekt gibt es drei wichtige Themen: Stammdaten, Stammdaten und Stammdaten.”
Michael Haufler, scireum GmbH
…die Zukunft des Groß- und Fachhandels:
Das Wohl von Michaels Unternehmen ist sehr stark mit dem des Großhandels verbunden. Die Zukunft des Großhandels in der digitalen Welt hängt stark davon ab, wie stark die Bereitschaft von Händlern ist, sich anzupassen. Doch ja/nein-Antworten sind schwierig. Digitale Nebelkerzenprojekte und ein “Weiter so!” – das wird nicht funktionieren. Anpassungen bis ins Kerngeschäft sind notwendig, doch diese Anpassungen tun weh.
“Händler, bei denen IT kein Geschäftsleitungsthema ist, wird es in zehn Jahren nicht mehr geben.”
Michael Haufler, scireum
Schon heute ist im Groß- und Fachhandel in verschiedenen Branchen Bewegung sichtbar. Den Großhandel wird es laut Michael wohl weiterhin geben, die spannende Frage ist, mit welchem Marktanteil. Neue Player, wie Contorion, füllen Lücken im Markt, andere etablierte Spieler werden die Transistion schaffen. Konzentration gibt es in den Märkten schon seit Jahrzehnten, z.B. im EGH oder im SHK. In letzterem Markt gibt es heute noch 150 Händler, vor ein paar Jahrzehnten waren es weit über 400. Auch im PVH werden einige auf der Strecke bleiben, vor allem die kleinen, die sich mit der Umsetzung von Anforderungen an E-Procurement und Co. schwer tun.
Fachhändler sehen vor allem Fachhändler als ihre Wettbewerber. Die Bedrohung, z.B. durch Amazon oder Baumärkte, wird kleingeredet. Verbundgruppen werden nicht konsequent genutzt, bzw. wenn, dann vor allem, um die eigene Individualität möglichst kostengünstig aufrecht zu erhalten. Für die Verbundgruppen sind die Grenzen der Wirtschaftlichkeit erreicht.
…die Herangehensweise an Digitalprojekte im B2B-Handel:
Medienneutrale Produktdaten zu haben gehört zu den Basics. Daten sind der Motor, so Michael. Daher machen Themen, wie z.B. jetzt in KI zu investieren, oft nur bedingt Sinn. Allerdings müssen Unternehmen auf der anderen Seite auch Dinge tun, die sich nicht sofort zu 100% rentieren. Die Projekterfolge in Digitalprojekten stellen sich i.d.R. nicht sofort ein. Um die zum Erfolg nötigen Lerneffekte zu generieren müssen Unternehmen investieren, vielleicht auch mal Geld verbrennen, ausprobieren, messen, lernen.
Entscheidender Erfolgsfaktor ist auch die Organisation. Es bringt nichts, nur Software zu kaufen, die Mannschaft muss damit umgehen können. Die perfekten Leute einfach einzustellen funktioniert nicht, die Mitarbeiter müssen mitwachsen und ausgebildet werden. Es dauert Zeit und kostet Geduld, bis verschiedene Verhaltensveränderungen durchlaufen sind.
…der Einfluss von Amazon auf digitale Veränderung B2B-Groß- & Fachhandel:
Amazon ist nicht mehr wegzudenken aus dem E-Commerce und bei Amazon Business sollte sich kein etablierter Händler entspannt zurücklehnen. Grundsätzlich müssen sich die Händler im SHK, EGH, PVH usw. aber die Frage stellen, warum es noch Sinn macht, dass es sie gibt. Wer aufhört über diese Frage nachzudenken, wird es nicht schaffen sich permanent anzupassen. Michael ist hin und hergerissen, glaubt aber (noch) nicht an den Abgesang des Großhandels. Schon heute hat kein Handwerker nur einen Lieferanten, keiner verlässt sich auf nur einen Großhändler. Zudem gibt es, z.B. im SHK oder EGH, Anforderungen an die Logistik, die etablierte Anbieter schon längst gelöst haben, die aber für Amazon ein neues Level in der Logistik beschreiben.
Ein “alles oder nichts” gibt es laut Michael nicht. Amazon wird in einigen Kategorien große Relevanz erlangen. Auf Herstellerseite erhöht sich der Absatzdruck, viele Hersteller fragen sich heute schon, warum sie Rücksicht auf den Handel nehmen sollten. In bestimmten Produktbereichen ist der Groß- und Fachhandel heute besonders angreifbar. Zum Beispiel im stark wachsenden Smart-Home-Bereich. Die Anwendungen werden komplexer, die Vertriebswege ändern sich. Die Komplexität der Lösungen bekommt der Handel, aber auch das Handwerk, kaum transportiert. Dass sich Händler ob dieser Entwicklung sorgen machen ist nachvollziehbar, Angst ist aber ein schlechter Berater.
Fazit:
Michael sieht vor allem, dass die digitalen Veränderungen große Chancen für B2B-Groß- und Fachhändler bringen, sich neu und anders zu positionieren. Es ist aber nach wie vor viel zu tun. Alle etablierten Marktteilnehmer müssen sich mehr Mühe geben als früher. Das Serviceangebot muss klarer, wertiger, konkreter und besser kommuniziert werden. Dazu kommt, dass eine gewisse Investitionsbereitschaft in digitale Lösungen und in die IT nötig ist. Doch Geld allein wird es nicht richten.
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