Unter Strom – vom Online Shop zum Systemanbieter mit Michael Möller (Voltus)

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Der Elektrogroßhandels- und Installationsbereich beschäftigt mich schon seit meiner Würth-Zeit. Ich habe den EGH als Geschäft kennengelernt, in dem es kaum Differenzierung gibt, Eigenmarken so gut wie nicht durchsetzbar sind und das größte Asset zu sein scheint, dass man mit der eigenen Logistikflotte schon morgens um 5:30 Uhr Ware zustellen kann. Und das bei 15-20% Rohertrag im Kerngeschäft. Kein Wunder also, dass die Branche seit Jahrzehten schon vor sich hin konsolidiert wird. Doch nur Economies of Scale lösen die modernen Probleme, getrieben durch Digitalisierung, natürlich nicht.

Voltus war bisher beim EGH und Elektroinstallateuren als Billig-Online-Shop für Schaltermaterial verschrien. Doch bei genauerer Betrachtung ist das Bad Schwartauer Unternehmen darüber längst hinausgewachsen. Tatsächlich hat das Interview mit Michael eine schöne Case Study ergeben, die aufzeigt, was viele EGHler oder Installateure heute tun sollten, um in einer digitalen Welt, in der Service und Kundenzugang eine große und gewichtige Rolle spielen, ganz vorne dranzubleiben.

Lesezeit: 7 Minuten

Michael Möller von Voltus im warenausgang.com Interview

Danke, Carrie: Was Sex and the City mit Voltus zu tun hat

Michael Möller hat zusammen mit seiner Ehefrau das Unternehmen Voltus 2004 gegründet. In den vergangenen 14 Jahren ist Voltus gewachsen und hat sich vom Online-Shop für Schalter und Steckdosen im DIY-/B2C-Bereich zum Multi-Channel Smart-Home-Spezialisten entwickelt. Michaels Frau war Early Adopter des E-Commerce. Eine durch die TV-Serie Sex and the City bekanntgewordene Mode-Kette und deren Erwerb durch Michaels Frau bei einem Online Shop in England hat dazu geführt, dass sich Michael und seine Frau noch im selben Jahr mit einem E-Commerce-Unternehmen selbstständig gemacht haben. Als Innendienstmitarbeiter eines Elektrogroßhändlers hat er damals mit Genehmigung des Chefs im Nebenerwerb auf ebay Zählerschränke verkauft. So lange, bis der Hersteller, die Firma Hager, dies unterbunden hat. Auf ebay wollte man die eigene Produkte nicht sehen, in einer Krisensitzung machte man Michael und seinem damaligen Chef klar, dass man doch lieber nur über den Fachhandel verkaufen wolle. Davon hat sich Michael nicht beeindrucken lassen und einen Internethandel gegründet. Er spezialisierte sich auf Schaltermaterial und Steckdosen, zwei Produktkategorien, die im Baumarkt nur sporadisch vorhanden waren.

Vom klassischen Onlinehändler zum Smart-Home-Spezialisten

Schon 2004, als er seinen alten Job kündigte und sich mit seiner Frau selbstständig machte, hielt er sich an den Rat seines ehemaligen Chefs, den Onlinehandel mit fachlichem Expertenrat zu untermauern. Die fachliche Beratung hat sich Michael seither zum Credo gemacht und von Anfang an seinen Kunden angeboten. Heute kommt ihm das sehr zugute, sowohl in der Kunden- als auch in der Lieferantenwahrnehmung, die in einem tradierten Markt, wie dem Elektrotechnikmarkt, sehr relevant ist. Als Michael und seine Frau 2009 parallel ihr Eigenheim bauten, hat sich Michael beim Thema Gebäudeautomation allein auf seinen Elektriker verlassen und ist damit ordentlich auf die Nase gefallen. Zu dieser Zeit war das Thema „KNX“ noch extrem teuer und eher etwas für Reiche. Diese Gemengelage war der Ansporn, das Fachwissen in KNX so aufzubauen, dass Voltus selbst Kunden beraten und ein Angebot aufweisen kann, in dem Bauherren sich zurechtfinden und Preissicherheit haben.

In der Elektrogroßhandelswelt war das bis dato nicht vorgesehen. Dort gilt bis heute weitläufig die „Sortimentsreinheit“: Den Markt bestimmten fünf Schalterhersteller, über 200 weitere Hersteller kompatibler KNX-Komponenten kamen in den Markt nicht hinein und waren darüber sehr frustriert. Ein klassisches Oligopol also. Kundenseitig war das Thema KNX zu der Zeit eher nerdig. In Online Communities organisierten sich engagierte Bauherren, um über das Thema zu fachsimpeln. Dies nutzte Michael als Teil der Nerd-Community als Markteinstieg, indem er Lösungen und Produkte anbieten konnte. So kam er m DIX-KNX-Markt sehr schnell zur Marktführerschaft. Aus eigener Sicht war der größte Hebel dabei die Systemfokussierung, Beratungskompetenz und der enge Kundenkontakt. Andere Anbieter, die sich zur gleicher Zeit auch auf das Thema stürzten, konzentrierten sich eher auf den klassischen Onlinehandel der entsprechenden Produkte. Zudem ist Voltus zu dieser Zeit mit MDT, einem der Hersteller n der KNX-Technologie, stark mitgewachsen. MDT hat die Phalanx der fünf Schalterhersteller für das Thema KNX durchbrochen und ist hier heute der Marktführer.

Repräsentatives Firmengebäude mit eigenem Filmstudio: Hier arbeiten die über 50 Voltus-Mitarbeiter (Quelle: Voltus)
Repräsentatives Firmengebäude mit eigenem Filmstudio: Hier arbeiten die über 50 Voltus-Mitarbeiter (Quelle: Voltus)

Voltus hat den Großteil seines konstanten Wachstums durch das frühe Besetzen von neuen Felder erzielt. Die Kundenlandschaft hat sich seither aus Michaels Beobachtung nicht verändert, aber:

„Amazon hat uns da sehr geholfen. Mit der ganzen Alexa Werbung ist Smart Home in aller Munde. Früher waren es Nerds und sowieso war alles zu teuer. Heute gehört es zum Lifestyle dazu.“

Michael Möller, Voltus GmbH

Amazon dominiert den Smart-Speaker-Markt, das Tor zum vielen Smart-Home-Anwendungen (Quelle: https://www.voicebot.ai/amazon-echo-alexa-stats/)
Amazon dominiert den Smart-Speaker-Markt, das Tor zum vielen Smart-Home-Anwendungen (Quelle: https://www.voicebot.ai/amazon-echo-alexa-stats/)

Der B2B-Bereich ist der am stärksten wachsende Bereich des Unternehmens. Voltus beliefert Hersteller, Großhändler und industrielle Instandhalter mit Produkten der Gebäudeautomation und Lichtsteuerung.

In 15 Jahren hat Voltus kein Fremdkapital aufgenommen, nur für den 3 Millionen Euro teuren Lagerumbau wurde zuletzt ein Darlehen bei der Bank aufgenommen. Das Wachstum kam organisch zustande. Nicht leicht in einem Markt, in dem ein großer Preiskrieg ausbricht, sobald ein Produkt für die großen Player im Markt interessant wird. Michaels Strategie dagegen ist, immer neue Produktsegmente zu finden, die an das Vorhandene anknüpfen. Bisher ist es immer gelungen, die Fachkompetenz auszuweiten. Dieser First-Mover-Vorteil ist entscheidend.

„Man hat mich schon Trüffelschwein genannt.“

Michael Möller, Voltus GmbH

Michael Möller hat Voltus 2004 mit seiner Frau gegründet (Quelle: Voltus)
Michael Möller hat Voltus 2004 mit seiner Frau gegründet (Quelle: Voltus)

Michael hat ein Faible dafür, neue Produkte, neue Sortimente und neue Hersteller zu erschließen. Selbst vor eigenen Lösungsentwicklungen schreckt er nicht zurück. Mit Wohnungsbaugesellschaften arbeitet Voltus daran, Basisautomation in Wohnungen für 1.500 EUR bereitzustellen. Sozusagen die „Serienausstattung“ der Automation für Gebäude bzw. Wohnungen. Mit der Io-box GmbH hat Michael zuletzt ein Unternehmen gegründet, mit dessen Produkt IoT-Geräte, wie z.B. ein smarter Wasserkocher, nahtlos in die KNX-Gebäudeautomationsinfrastruktur (Marktanteil KNX global ca. 70%) integriert werden können. IoT-Gadgets, wie z.B. Sonos-Lautsprecherboxen, müssen nach Michaels Vorstellung extrem unkompliziert und innerhalb weniger Minuten integrierbar sein.

Amazon und der Elektrogroßhandel

Amazon investiert sehr stark in das Thema Smart Home. In den USA wird bereits spekuliert, ob Amazon zukünftig ganze Smart Homes baut. Das Unternehmen ist somit (mal wieder) ein Treiber und sorgt für thematische Dynamik. Im klassischen Voltus-Brot-und-Butter-Geschäft, dem Onlinehandel mit Schaltern, spielen die Seattler bzw. Münchner aber noch eine untergeordnete Rolle. Online treten hier eher Händler in den Vorschein, die durch ihre extrem günstigen Kalkulationen auffallen und auf den Marktpreis drücken. Amazon hingegen ist aktuell nicht in der Lage, komplexe Systeme zu verkaufen. Die Billigangebote im Markt werden kaum wahrgenommen, Michael konnte dies durch eine Anzahl an Selbsttest und Experimenten nachvollziehen. Ein Segen des Schalterhersteller-Oligopols, das sich 80-90% des Marktes aufteilt. Das Markenbewusstsein auf DIY- und Installateurkundenseite ist somit angenehm. Doch naiv ist Michael in dem Punkt keineswegs. Die Markenbedeutung wird sich verringern, der Prozess dazu hat begonnen.

Michael beobachtet, dass die Kunden immer stärker zu „Prosumern“ werden: Professionelle Consumer. Durch die Transparenz und das Wissen im Internet sind Smart-Home-Kunden oft allumfassend informiert. Die Wissenshoheit des Handels oder Installateurs ist vorbei. Der Prosumer trifft die Kaufentscheidung und sagt dann, was er möchte. Installateure neigen dazu, diesen Wünschen zu folgen. Je höher der Einfluss informierter Enverbraucher, desto höher auch die Tendenz zur Akzeptanz von Handelsmarken, die z.B. auf Amazon etablierte Marken ablösen. Auch Voltus hat mit Constaled eine eigene Produktmarke für LED-Spots und –Stripes etabliert, innerhalb von fünf Jahren. Für Michael ein Weg, bei Bestandskunden das Sortiment mit ordentlichen Erträgen zu erweitern. Mit Constaled ist Voltus mittlerweile auch beim größten deutschen Beschlägehändler gelistet.

In den fünfzehn Jahren hat sich mit dem Unternehmensschwerpunkt auch die Bedeutung einzelner Kompetenzfelder verschoben. Beim Start als Onlinehändler waren alle E-Commerce-Schwerpunkte extrem wichtig: Online Marketing, Shoptechnologien etc. Heute ist sich Michael sicher, dass er sich über die E-Commerce-Kompetenz nicht großartig von anderen unterscheiden kann. Social Media Marketing, Shopmanagement, Affiliate Marketing oder Preissuchmaschinen gehören für ihn heute zum wichtigen Handwerkszeug, eine Maschine, die läuft. Große Bedeutung gewinnt für Voltus die fachliche Kompetenz, nicht nur im Produkt- sondern auch im Planungsbereich. Bereits seit 2012 setzt Voltus für die Planung komplexerer Projekte konsequent und ausschließlich eine BIM-Software ein. Die Kosten der Planung holt Voltus so über Effizienz rein, spätestens, wenn es um die Planung von Smart-Home-Infrastrukturen geht. Viele Bauherren verzichten gerne noch auf separate Planung, irrationalerweise verlassen sie sich dafür auf die Installateure, die dann alleine bestimmen, was und zu welchem Preis eingebaut wird. Für Michael macht man so den Bock zum Gärtner. Während in Holland bereits alle Bauvorhaben in BIM geplant werden, liegt die Quote in Deutschland bei 5%. So schlecht, dass in Deutschland BIM bei öffentlichen Bauvorhaben per Gesetzgebung nun zur Pflicht wird (wann wird der Flughafen in Berlin nochmal eröffnet?)

Die Zukunft im Smart Home und dreistufigen Vertrieb

„Der Installateur wird installieren, weil er Installateur heißt. Sonst würde er Händler heißen.“  Michael Möller, Voltus GmbH

Die Händler haben zukünftig eine schwache Position, da ist sich Michael sicher. Das betrifft auch Voltus. Das Unternehmen muss Dienstleister werden, Systemkompetenz aufbauen, beraten. Mit dem Service „Rent a Techie“ wurde kürzlich ein Grundstein dafür gelegt. Voltus lässt sich für Fachberatung bezahlen. Gewerbliche und private Bauherren bekommen in Beratungssessions für zwei bis drei Stunden komprimiert Fachwissen zu ihren konkreten Anwendungsfällen an den Kopf. Dafür zahlen Voltus-Kunden gerne. Drei Stunden für gewerbliche Bauherren kosten 600 Euro. Meist kommt nach der Beratung dann der konkrete Planungsauftrag dabei heraus. Der Service, den Kunden so schätzen, dass sie dafür sogar zahlen, bringt Voltus also zusätzlichen Umsatz und sorgt für Folgeaufträge.

„Immer wenn ich das Gefühl habe, mein Produkt könnte auch bei Amazon verkauft werden, dann muss ich etwas Anderes machen. Reine Produktverkäufe, das wird ganz schön schwer.“

Michael Möller, Voltus GmbH

Händler müssen so versuchen, unentbehrlich zu werden. Hersteller sind in einer besseren und stärkeren Position als die Händler, je einfacher jedoch das Produkt, desto schwieriger wird es, zu bestehen. Toilettenbürsten, so Michaels Beispiel, kann heute jeder herstellen. Am Ende des Tages geht es dabei nur noch darum, möglichst niedrige Stückfixkosten zu haben. Als Quasi-Hersteller sieht Michael allgemein drei Dinge, die beherrscht werden müssen: Alleinstellungsmerkmale, Produktqualität und die Exklusivität des eigenen Wissens.

Ambitionslevel: Hoch

Wenn Anfang 2019 das neue Logistikzentrum mit 2.500 Quadratmetern Lagerfläche eingeweiht wird, hat Voltus einen wichtigen Flaschenhals gelöst. Dann hängt das Unternehmen nicht mehr von Steckenlieferungen durch vorwiegend Elektrogroßhändler ab, sondern kann logistisch selbst agieren. Die Internationalisierung birgt riesiges Potenzial für Voltus, ausländische Märkte sind heute im Smart-Home-Bereich ebenso schlecht und kompliziert aufgestellt wie Deutschland 2009.  „Ab 2019 hält uns nichts mehr auf,“ so Michael. Kein Wunder also, dass er bis 2024 die Vervierfachung des Umsatzes als Ziel ausgegeben hat.

Hier entstehen vorerst 2.400 Quadratmeter Lagerfläche, die Voltus Unabhängigkeit in der Beschaffung und Logistik verschaffen (Quelle: Voltus.de)
Hier entstehen vorerst 2.400 Quadratmeter Lagerfläche, die Voltus Unabhängigkeit in der Beschaffung und Logistik verschaffen (Quelle: Voltus)

Fazit:

Smart Home ist, ganz im Speziellen, ein Trend, den viele etablierte Player im Elektrotechnikmarkt, Händler und Hersteller, verschlafen. Voltus hat „mit Bordmitteln“ die Potenziale der Digitalisierung erkannt – sowohl im E-Commerce (bereits 2004) als auch technologieseitig. Im Generellen leben Unternehmen wie Voltus leben vor, was etablierte Unternehmen (insbesondere Händler im B2B) längst tun sollten, aber leider oft verschlafen. Voltus hat sich in nur 15 Jahren vom Onlinehändler zum vertikal integrierten Spezialisten im Smart-Home-Bereich entwickelt, beansprucht die Marktführerschaft für sich und wächst dabei profitabel. Um dahin zu kommen wurden Kernkompetenzen (frühe Adaption von Produkttrends, Stichwort „Trüffelschwein“) geschärft, neue Marketingkanäle („Nerd Communities“) genutzt und eng mit Herstellern kooperiert (ganz ohne übertriebene Forderungshaltung). Das Handeln des Unternehmens permanent und konsequent hinterfragt. Dazu kommt unternehmerischer Mut, Geschick und eine Portion Glück.

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