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Würth ist der nahezu unangefochtene Marktführer in der Belieferung von B2B-Handwerkern aller Art mit Werkzeugen. Die Markenbekanntheit von Würth in relevanten B2B-Kundenzielgruppen dürfte bei nahezu 100% liegen. Nach über siebzig Jahren Firmengeschichte wird es kaum einen Handwerksbetrieb in Deutschland ohne Würth-Kundennummer geben.
Bislang sah man Produkte der Marke Würth nicht bei Drittanbietern, egal ob konzerneigen oder -fremd, Wucato mal ausgenommen. Der Vertrieb erfolgte bislang exklusiv über Würth. Beim letzte Woche gelaunchten svh24-Würth-Markenshop wurde nun offensichtlich die Taktik verändert. Seit 11.06.2018 sind 335 Würth-Markenprodukte auf svh24 erhältlich, vor allem Elektrowerkzeuge, Handwerkzeuge und Klebebänder. Diesen Case genauer zu betrachten, kann anderen B2B-Marken, helfen die sich aktuell ähnliche Schritte überlegen, bei der Entscheidungsfindung.
Exkurs: B2B-Werkzeuge an B2C-Kunden zu verkaufen ist keine neue Idee
Die Hoffmann Group hatte schon vor ein paar Jahren begonnen, einen B2C-Shop zu eröffnen. Dieser Shop diente überwiegend dazu, Mitarbeitern von Industriekunden zu ermöglichen, das Hoffmann-Werkzeug privat ebenfalls zu beziehen. Aggressiv ausgebaut wurde das B2C-Geschäft unter eigener Flagge nie. Selbst ein Jahr nach der Contorion-Übernahme findet sich dort heute kein Produkt der Premium-Eigenmarke „Garant“, lediglich Produkte der preisgünstigeren Hoffmann-Eigenmarke „Holex“. Auch Hilti hatte 2011 probiert, über Coop-Supermärkte in der Schweiz Elektrowerkzeug an Otto Normalverbraucher zu bringen. Diesem zaghaften Versuch folgte keinerlei Fortsetzung. |
Ich habe dazu zwei Hypothesen aufgestellt:
- Würth verspricht sich Wachstum durch eine erhöhte Fokussierung von B2C als Zielgruppe
- Würth will über Plattformen wie Amazon und ebay mittelbar wachsen
Hypothese 1: B2C als Zielgruppe
Der stationäre Flagship-Store, der 2016 in Stuttgart eröffnet wurde, dient in erster Linie als Markenbotschafter, spricht aber neben “Handwerkern in Zivil” hauptsächlich Privatkunden an. Ob der virtuelle Markenshop bei svh24 den gleichen Zweck erfüllen soll? Die svh24-Würth-Markenwelt transportiert in etwa die gleichen Inhalte, wie sie schon auf der Würth-Website und im –Shop zu finden sind.
Doch wäre ein erweitertes Engagement im B2C für eine Marke, die ihren Kern im B2B-Geschäft hat, überhaupt sinnvoll? Das Marktvolumen im deutschen DIY-/Baumarktgeschäft ist mit ca. 19 Milliarden Euro (2017, Quelle: GfK, BHB) geringer als der ca. 30 Milliarden Euro schwere B2B-Handwerker-C-Teile-Markt (eigene Berechnungen) und besitzt eine andere Struktur. Der Customer Lifetime Value eines B2C-Kunden in der Regel gegenüber dem eines B2B-Kunden verschwindend gering. Aus meiner Erfahrung, als B2B-Unternehmen auch an B2C zu verkaufen kann ich zudem feststellen: Der Aufwand im Customer Service ist im B2C ähnlich groß (und die Kunden deutlich nerviger).
Um im B2C, in diesem Fall im B2C-DIY-Onlinehandel, auf eine relevante Umsatzgröße zu kommen, reicht eine hochpreisige Ausrichtung auf die Nische der finanziell gut ausgestatteten Werkzeugliebhaber nicht aus. Hochpreisig muss jedoch zwangsweise die Taktik sein, wenn man verhindern will, dass die ca. 3.000 Würth-Außendienstmitarbeiter und hunderttausende Würth-Kunden gegen die Online-Offensive Sturm laufen.
Hypothese 2: Plattformgeschäft ankurbeln
Eine weitere Hypothese könnte sein, dass svh24 das Würth-Geschäft auf Amazon ankurbelt sollte. Als erfahrener Marketplace-Händler verfügt svh24 über diese Fähigkeit. Die heute auf Amazon angebotenen Würth-Produkte werden i.d.R. durch kleinere Amazon-Händler verkauft. Diese dürften die Produkte meiner Vermutung nach regulär bei Würth über deren Multichannel-Vertrieb beziehen. Gleiches scheint auch für Produkte anderer vergleichbarer Anbieter wie Hilti, Berner oder FÖRCH zu gelten.
Kaum vorstellbar aber, dass es svh24 überhaupt Würth-Produkte über Amazon und ebay anbieten wird. Der Realitätscheck dieser These eine Woche nach Livegang bestätigt das. Auf Amazon und ebay bietet svh24 keinen Würth-Artikel an.
Wer ist svh24.de?
SVH Handels GmbH mit Sitz in Dortmund ist ein Online-Werkzeughändler, der 2014 von der Würth-Tochter Hahn+Kolb Werkzeuge aufgekauft wurde. Über die Umsätze, die das Unternehmen heute tätigt, ist leider nichts bekannt. Monatlich bewegen sich im Schnitt rund 180.000 Besucher auf der URL svh24.de, die über eine gute organische Sichtbarkeit für relevante Keywords aus der Werkzeugwelt verfügt (Sistrix-Index: ca. 2,1 im Juni 2018). Über die Zahlen auf den Marketplace-Profilen auf Amazon und Ebay lassen sich grob die Bestellvolumina herausrechnen: Amazon: 1454 Händlerbewertungen (18.06.2018) der letzten 12 Monate lassen auf 30.000 – 70.000 in diesem Zeitraum abgewickelte Amazon-Bestellungen schließen (Annahme: Händlerbewertungsquote zwischen 2% und 5%) Ebay: 42.727 Händlerbewertungen (18.06.2018) der letzten 12 Monate lassen auf ca. 84.000 in diesem Zeitraum abgewickelte ebay-Bestellungen schließen (Annahme: Händlerbewertungsquote ca. 50%) |
svh24 preist Würth-Artikel sehr hoch aus
Preislich spielen die Würth-Artikel in einer anderen Liga als vergleichbare Produkte anderer Herstellermarken auf svh24. Als bestes Beispiel dient hierfür das 91-teilige Werkzeugset im Kunststoffkoffer:
Abschließend noch ein paar Leserstimmen aus der Warenausgang.com WhatsApp-Gruppe:
„Preislich ca. 20 – 30 % über den Listenpreisen. Für Handwerker, die bereits bei Würth kaufen, bestimmt uninteressant und sollte svh24 die Preise in Suchmaschinen Listen könnte Würth bei Endverbrauchern schnell als „zu teuer“ gelten. Bin gespannt, wie sich das entwickelt.“
„Der Schritt in Richtung Preistransparenz ist in unserer Branche (Würth, Berner) unausweichlich. Via Drittanbieter sind unsere Produkte ohnehin auf Plattformen wie Amazon erhältlich. Der Weg über einen mittelbar eigenen Webshop (mit überschaubarem Sortiment, ohne Verbrauchsmaterial Chemie Befestigung) erste Tests durchführen scheint nachvollziehbar. Er gibt uns nun die Pace vor. Eine Branche in der alles via Außendienst verhandelt wird bei gleichzeitigem Ziel einen Omnichannel auf-/auszubauen wird ohne Transparenz der Konditionen holprig werden. Der Weg Richtung Privatkunde (via svh24) finde ich spannend. Mit dem dichten Shopnetz in AT und Deutschland könnte da einiges an Bewegung reinkommen.”
“Kluger Schachzug um die Strahlkraft der Marke im B2C zu testen”
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