B2B Marketplace Rundumschlag mit Dominik Hecker (Teil 1)

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Im Vorfeld der Unite Seller Conference in Leipzig habe ich mich mit Dominik Hecker, geschäftsführender Gesellschafter von XT Verpackungen aus Oelde, getroffen. Dominik hat in den letzten vier Jahren ein starkes Digitalgeschäft mit Verpackungsmaterial aufgebaut (50% Online-Umsatz). Kaum ein Zweiter kennt die operativen Kniffe von Marktplatzanbindung so gut wie er, ein großer Teil seines Geschäfts. Im warenausgang.com-Podcast verrät er seine Einschätzung zu diversen B2B-Marktplätzen und ihrer Entwicklung. Im folgenden Artikel habe ich unser Interview zusammengefasst.

Dominik Hecker von XT Verpackungen im großen warenausgang.com B2B Marketplaces Interview

XT Verpackungen – Wachstum durch digitale B2B Marktplätze

Der Verpackungsmaterial-Handel läuft nach wie vor relativ klassisch: Hersteller – Zwischenhändler – Endkunde. Die Wertschöpfung im Zwischenhandel geschieht durch Services wie Veredelung oder Umpacken. Dominik kommt aus der Verpackungsmaterialbranche und hat sich 2014 mit XT Verpackungen selbstständig gemacht. Das Unternehmen hat sieben Mitarbeiterinnen, allein in diesem Jahr verdoppelt sich der Umsatz nochmals, weitere Kollegen sind bereits eingestellt. Ein kleiner Händler, der in einer Branche wie dem Verpackungsmaterial so spät startet und dann so schnell wächst? Eine untypische Geschichte in Zeiten sich konsolidierender B2B-Handelslandschaften und dem B2B-Fachhandelssterben.

Ein Teil dieser Geschichte besteht darin, dass Dominik als kleiner Händler maximal flexibel zwischen den Endkunden, anderen Großhändlern und den Hersteller agiert. Diese Flexibilität ermöglichte ihm einst den Start auf digitalen Marktplätzen. Ohne diese wäre seine Geschichte bis dato nicht möglich. XTs Digitalkarriere begann mit einem Shop aus dem 1&1-Baukastensystem und nächtelanger, manueller Datenaufbereitung durch Dominik. Allein durch die frühzeitige Beschäftigung mit diesen Themen als Nicht-Digital-Experte brachte Dominik schon früh einen kleinen Wettbewerbsvorteil. Richtig intensiv hat sich Dominik mit dem Online-Handel jedoch erst nach einer Negativerfahrung mit Stoßbetrügern beschäftigt, die ihn an den Rand der Insolvenz brachten. Der Einstieg in den E-Commerce war für XT primär eine Risikominderungsstrategie.

Heute ist E-Commerce der Wachstumstreiber und „Spaßbringer“ XTs. In einem derart wettbewerbsintensiven Markt ist der Einstieg für neue Unternehmen schwer. Kunden mitnehmen aus dem alten Job? „Mein alter Arbeitgeber wird ja auch nicht schlechter,“ so Dominiks Antwort auf diesen Plan. Differenzierung durch Sortiment? Kaum möglich. Bleibt also, die Preise zu senken. Auf Dauer aber keine gute Idee, um ein valides Geschäftsmodell aufzubauen.

Der Einstieg in E-Commerce als One Man Show war 2014 jedoch bereits limitiert. Einen 1&1 Webshop mit SEO und SEA nach vorne zu bringen hätte 2004 sicher noch gut funktioniert – das war 2014 jedoch dank gestiegenem Wettbewerb um generische Keywords im Suchmaschinenmarketing schon vorbei. Die niedrigen Margen reichen für einen kleinen Anbieter kaum aus, um vernünftiges SEM aufzubauen. Zumindest für einen, der vergleichsweise limitierte Mittel zur Verfügung hat. Digitale Marktplätze kamen da als Plattformen mit einem Unterangebot in entsprechenden Kategorien gerade recht.

„Also nicht über die Dienstleistungsfunktion werde ich zum Händler, sondern durch den Händler werde ich zum Dienstleister bei den einzelnen Kunden. Ich kann es nicht trennen, ich möchte es auch nicht trennen. Das ist das, was man danach in Zukunft braucht, um weiter wachsen zu können.“ 

Dominik Hecker, XT Verpackungen

Durch den eigenen Erfahrungsschatz im Datenhandling erweitern Dominik und XT mittlerweile ihr Geschäftsmodell in Richtung eines „Markplatz-Service-Providers“. Viele Händler stellt die Anbindung an Marktplätze für eine große Herausforderung, den Marktplätzen fällt die Sortimentserweiterung dadurch schwerer. Dominik hilft anderen Anbietern dabei, die operativen Lücken zu schließen. „Wir können’s ja sowieso, auch wenn wir erst mal nur helfen wollen.“

Für warenausgang.com sind wir einige der Marktplätze durchgegangen, die viele nur von außen, Dominik aber operativ und gut von innen kennt.

Amazon Business

Dominik nutzt Amazon Business heute mehr auf der eigenen Beschaffungsseite, um mit Sonderbeschaffungen Kunden zufrieden zu stellen, als eine Vertriebsplattform. Für Dominik ist Amazon Business derzeit kaum ein Thema: „Da fehlt für den Bereich B2B noch zu viel,“ so der XT-Chef im warenausgang.com-Interview. Zum Beispiel sei das Fehlen des Single-Creditor-Modells ein Hindernis, was dazu führt, dass die Longtail-Beschaffung oft keinen richtigen Spaß mache, da am Schluss zu viele Kreditoren gemanaged werden müssen. „Ich erkenne die Trennung (zwischen Amazon und Amazon Business, Anm. d. Red.) noch nicht,“ sagt Dominik und ergänzt: „Die Business-Funktion ist für mich noch nicht so wie bei den Modellen, mit denen ich sonst arbeite.“

Auf der Vertriebsseite hatte Dominik bis vor Kurzem ebenfalls seine 200.000 Verpackungsartikel als Seller gelistet. Mittlerweile ist Dominik bei Amazon jedoch nicht mehr vertreten. Als kleiner Händler ohne echte Alleinstellungsmerkmale auf der Vertriebsseite hat Dominik auf Amazon nach seiner Sicht zu wenig Marge: „Da habe ich dann tatsächlich kein Alleinstellungsmerkmal und bin dann nur einer von vielen Händlern, der vielleicht das Klebeband anbieten möchte und verkaufe darüber meine Reste, meine Lagerware. Das funktioniert über eBay aber genauso und ist für mich überhaupt nicht im Fokus.“

Für Dominik steht und fällt das Thema Amazon mit der Umsetzung des Single-Creditor-Modells. Ab dem Moment, zu dem Amazon das Thema „Single-Kreditor-Modell“ erfolgreich umsetzt, räumt Dominik Amazon Business eine große Chance im Longtail-Procurement-Markt ein.

Unite

Auch bei der neuen Vernetzungsplattform Unite, die Mercateo mittlerweile als Spinoff vom Kerngeschäft abgrenzt, sieht Dominik die Themen „erfolgreiche Marktdurchdringung“ und „Single-Creditor-Modell“ eng verknüpft. Zwar habe nicht jeder Händler Interesse daran, darüber die Transparenz zusätzlich zu erhöhen, aber: „… Single Creditor macht für den Kunden so viel Sinn, dass ich davon ausgehe, dass es (Unite) noch einen großen Schub gibt, wenn sie das (…) hinbekommen.“

Zwar können Unite-Nutzer schon heute alle Rechnungen von Mercateo bekommen, richtig gut umgesetzt findet Dominik das Ganze jedoch noch nicht. Heute gibt es noch keine katalogübergreifende Suche, Nutzer müssen jeden Katalog per Lieferant einzeln durchsuchen. Dazu kommt: Das Prinzip „Unite“ ist sehr neu, schwer vergleichbar und somit sehr erklärungsbedürftig. Unite will u.a. dreistufige Handelsbeziehungen digital darstellbar machen und die neutrale Plattform für die digitale Vernetzung von Geschäftsbeziehungen sein.

Auch Dominik fällt es schwer, Unite in wenigen Worten zu erklären. Der Geschäftsmodell-Ansatz von Unite wirklich beachtenswert und bisweilen einzigartig: Nutzer individualisieren die Plattform, indem Sie die Lieferanten auswählen, deren Kataloge sie haben möchten. Sofern mit diesen Lieferanten individuelle Konditionen vereinbart sind, können diese dazu geladen werden. Die Abwicklung und das „Beziehungsmanagement“ erfolgt somit über Unite, die Kunden-Lieferanten-Beziehung ist jedoch direkt.

Am ehesten kann man Unite also als „Bestell- und Vernetzungsplattform“ bezeichnen. Vertrieblich war der ursprüngliche Gedanke, dass Händler und Hersteller ihre Kunden auf diese Plattform bringen, Kunden dort weitere, spannende Lieferanten und Sortimente entdecken und sich vernetzen. Dieser Netzwerkeffekt ist bisweilen noch nicht allzu stark ausgeprägt, vorsichtig formuliert. SAP hat Unite mittlerweile als Lösung für den Longtail-Spend integriert. Dominik erhofft sich dadurch nun „richtig Dampf und Bewegung“ in der Entwicklung von Unite.

Denn was laut Dominik, einer der ersten Händler auf Unite und Early Adopter, dem Modell Unite heute noch fehlt ist Traffic, vor allem auf der transaktionalen Ebene. Sprich: Noch werden nicht so viele Aufträge generiert. Trotzdem ist sich Dominik sicher, dass es wichtig ist, Modelle wie Unite früh zu adaptieren, zumindest für sein Geschäftsmodell.

Mercateo

Dominiks Start-Marktplatz war Mercateo. Durch die Verkettung glücklicher Umstände landete Dominik nach der Produktrecherche beim Category Manager Mercateos, der ihm anbot, als weiterer Händler im Verpackungsmittelmaterial auf Mercateo zu listen. Dominik begann damals spontan, einzelne Artikel einzustellen, mittlerweile hat XT über 200.000 aktive Artikel auf der Plattform. Im Verpackungsmittelbereich ein verhältnismäßig großes Sortimente, einzelne Spezialanbieter bietet ca. 2.000 Artikel im Kern und ca. 15.000 insgesamt. Das Sortiment ist sehr longtail-lastig, „den“ Verpackungsartikel gibt es nicht.

Das klassische Mercateo ist ein „Veteran“ unter den Online-Marktplätzen, insbesondere im B2B, aber auch generell gesehen. Über 20 Millionen Artikel sind verfügbar, insgesamt hat Mercateo ca. 600 Händler angebunden, davon ca. 300 „Stammhändler“. Das Web Frontend scheint jedoch einigermaßen in der Zeit stehengeblieben zu sein – was unter anderem der Entwicklung von Unite begründet liegt. Nach Dominiks Meinung hat Mercateo B2B am besten verstanden und wird der größte B2B Player am Markt sein in den nächsten Jahren.

Das „klassische“ Mercateo ist eine Plattform bzw. ein Marktplatz mit einem Gesicht zum Kunden hin. Seit jeher sind die Händler auf Mercateo anonym und angehalten, möglichst neutral zu liefern. Die Kunden wissen in der Regel nicht, woher ihre bestellten Produkte kommen. In der Verlängerung entsteht so eines der Hauptdifferenzierungsmerkmale Mercateos: Mercateo ist im Vergleich zu anderen Plattformen neutral und tritt nicht in irgendeiner Form auch als Händler auf. Dominik schätzt die Bedeutung der Neutralität für die zukünftige Entwicklung hoch ein. Er denkt, es bietet die größte Chance, weiter zu wachsen.

Conrad Business Marketplace

Der B2B Marketplace von Conrad ist einer der neusten Marktteilnehmer. Von mehreren Seiten kann man bislang hören, dass er zudem ganz ordentlich wächst. Dominik befindet sich gerade in der Anbindung an den Marktplatz und kann daher noch nicht viel zur Entwicklung sagen. Der Weg Dominiks auf Conrad Business Marketplace führte über einen Hersteller, der XT als Weg nutzt, seine Produkte über den Marktplatz abzuwickeln. Dies kann kurzfristig auch für andere Hersteller oder Händler ein Einstieg sein, auf den Conrad-Zug aufzuspringen.

Conrad Händler werden
Händler bei Conrads B2B Marketplace werden dem Kunden direkt am Produkt angezeigt (Quelle: https://www.conrad.biz/de/info-und-service/business-services/marketplace.html)

Eine der Herausforderungen neben den üblichen operativen Themen einer Anbindung liegt für XT in der Aufbereitung des Contents. Plattformen wie Conrad sind in einer anderen Zeit gestartet als die etablierten B2B-Marktplätze und haben hier deutlich höhere Anforderungen. Dazu kommt, dass Händler deutlich mehr „in der Öffentlichkeit“ stehen, also viel präsenter sind, als z.B. bei Wucato, Mercateo oder Amazon Business.

Wucato

Bei Wucato ist XT Verpackungen schon länger angebunden. Verpackungsmaterial hat Würth im Konzern bisher kaum im Sortimentsfokus. Bei Wucato ist die Beziehung zwischen Händler und Kunde stark ausgeprägt. Die Kunden kaufen direkt bei Dominik und er löst auch deren Probleme. Wucato ist die Abwicklungsplattform dazwischen, die sich nicht nur im Onboarding, sondern auch darüber hinaus, sehr händlerfreundlich gibt.

Der Single-Creditor-Ansatz ist auch das Herzstück von Wucato. Zu den ca. 10 Stammhändlern aus dem Würth-Konzern gesellen sich mittlerweile ca. 4-5 konzernexterne Anbieter. Dominik erzielt Umsätze über Wucato und räumt der Plattform Potenzial ein. Allerdings, so Dominik, müsste sich Wucato noch stärker öffnen, „mehr Marktstände anbieten,“ sagt Dominik und meint damit, auf Angebotsseite schneller zuskalieren und weitere Sortimente anzubinden.

Crowdfox

Kurz vor unserem Gespräch hatte Dominik das erste mal mit Crowdfox telefoniert. Der Kontakt war bei den BME e-Lösungstagen zustande gekommen, bei denen sich die Füchse per Messestand in auffälligem Orange mit jungen Damen in kurzen Kleidern, passend zum Geschäftsmodell, einigermaßen aggressiv und angriffslustig präsentierten.

Einerseits, merkt Dominik an, sind die Kölner umtriebig in der Lieferantenakquise, andererseits mag er noch nicht einschätzen, ob das Crodwfox-Modell erfolgreich sein kann. Aktuell möchte er seine Daten noch nicht mit der Firma teilen, in die auch die TAKKT AG investiert ist.

Crowdfox Händler werden
Crowdfox liefert Händlern im Onboarding Echtzeit-Preisdaten zur Optimierung (Quelle: https://sell.crowdfox.com/)

Das Crowdfox-Modell lässt sich in einer Nussschale so beschreiben: Crowdfox aggregiert im Internet gecrawlte Daten mit kundenindividuellen Konditionen. So können Einkäufer immer zum besten Preis einkaufen – der gesamte Einkauf von C-Artikeln lässt sich so automatisieren. Dominik findet das Modell fast zu aggressiv, die Vergleichbarkeit ist nur oberflächlich gegeben. Seiner Meinung nach wird Crowdfox viele Lieferanten bzw. Daten benötigen, um erfolgreich sein zu können.

Grundsätzlich ist das Thema „Vergleichbarkeit von Einkaufskonditionen“ ein älterer Hut. Seither war es jedoch viel langsamer und nicht automatisiert dargestellt, eher über Beratungsprojekte. Das kann Crowdfox zumindest in der Theorie schneller und besser. Nur sicher wissen können wir das heute noch nicht.

In einem zweiten Teil bespreche ich mit Dominik noch ein paar weitere Marktplätze, auf die man zukünftig im B2B Digital Commerce achten sollte. Darunter u.a.: Ebay, Simple System, Meplato uvm. Stay tuned!

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